Ein Brief von deinem Hund an Silvester
Du siehst mich zittern mit panischem Blick. Aber du hast gehört, dass man ängstliche Hunde nicht trösten soll. Also ignorierst du mich, obwohl ich immer wieder bei dir Schutz suche. Ich würde so gern in einem ruhigen Zimmer mit dir kuscheln. Aber du hast deine Freundinnen eingeladen. Manchmal kommt ein Bellen oder Knurren aus mir herausgeplatzt, weil mein ganzer Körper von Angst erfüllt ist. Dann beugst du dich über mich und redest mit lauter Stimme und erhobenem Zeigefinger auf mich ein. Ich fühle mich allein.
Früher fand ich Silvester gar nicht so schlimm. Aber seit einmal ein Böller genau neben uns explodiert ist, bekomme ich bei Knallgeräuschen einen riesigen Schreck und einen Knoten im Bauch. In solchen Momenten würde ich gern einen von diesen Tricks mit dir an einem ruhigen Ort machen, wo du Leckerlis versteckst und dich so riesig freust, wenn ich sie alle mit meiner Superspürnase finde. Aber du denkst, dass du das nicht darfst und ignorierst mich weiter. Das macht den Knoten in meinem Bauch noch größer.
Wir gehen durch dick und dünn. Du zeigst mir die Welt und ich vertraue dir. Bei diesen furchtbaren Knallern, die jedes Jahr immer früher zu beginnen scheinen, würde ich mir so sehr deine Unterstützung wünschen. Wenn ich meine Emotionen steuern könnte, würde ich die Angst sofort für dich wegdrücken. Stattdessen habe ich gerade vor lauter Schreck auf die Fliesen gepullert und verkrieche mich in der Ecke. Du schimpfst mit mir und ziehst mich nach draußen. Es ist dunkel, kalt und nass. Alle fünf Sekunden fliegen Raketen oder Böller. Ich will zurück, aber du ziehst mich weiter. Ich müsste meine Geschäfte machen, aber kann nicht, weil der Knoten im Bauch mich erdrückt.
Endlich wieder in der Wohnung. Ihr macht laute Musik an und ich verstecke mich unter deinem Schreibtisch. So kann ich die Böller kaum hören. Meine Augen werden schwer, aber ich muss wach bleiben, aufpassen, dass uns nichts passiert. Ich möchte einfach nur mit dir ins Bett und unter der Decke warten, bis es endlich vorbei ist. Der vertraute Geruch und die körperliche Nähe würden mir so helfen. Bitte hör mir doch zu!
Ich gehe mit dir durch dick und dünn. Ich vertraue dir! Aber diese Tage im Jahr fühlen sich für mich wie ein Weltuntergang an. Sei für mich da, so wie du es mir immer versprichst, wenn wir morgens in deinem Bett kuscheln.
Deine Fellnase