3 Dinge, die du über Impulskontrolle beim Hund wissen solltest

von Ulrike Seumel

Leckerlies auf der Nase balancieren, vor dem Hundenapf warten und immer schön Bleib üben. Oft werden solche Dinge als Impulskontrollübungen bezeichnet, aber was ist Impulskontrolle? Ich verrate dir drei Dinge, die du abseits von diesen Übungen über Impulskontrolle wissen musst.

Mitte August hatte ich Dr. Ute Blaschke-Berthold zu einem Seminar in Leipzig eingeladen und wir haben uns zwei Tage mit den Themen Impulskontrolle und Frustrationstoleranz beschäftigt. Diese drei Punkte waren für mich die Wichtigsten des ganzen Wochenendes.

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Keine Lust zu lesen? Dann höre dir meinen Artikel einfach hier an.

Was ist Impulskontrolle?

Impulskontrolle wird oft mit Begriffen wie Selbstkontrolle oder Selbstbeherrschung gleichgesetzt.

Es beschreibt die bewusste Kontrolle über Emotionen und die eigenen Handlungen.

Zur Impulskontrollfähigkeit gehört auch, dass ein Verhalten beendet werden kann, um ein anderes Verhalten zeigen zu können. Ich muss die Netflix-Serie abschalten, um einen Artikel schreiben zu können. Gelingt mir das, dann habe ich Impulskontrolle gezeigt.

Das Gegenteil von Impulskontrolle ist Impulsivität. Beides gehört zusammen und wir brauchen beides im Alltag. Das ist mein Ernst. Denn schnell auf deinen Rückruf zu reagieren, braucht eine impulsive Reaktion deines Hundes. Da ist die Reaktion für uns Menschen angebracht und erwünscht, aber in anderen Situationen sieht das oft nicht so aus. Wenn es um Hüte- oder Jagdverhalten oder auch Aggressionsverhalten geht, sind impulsive Reaktionen oft nicht erwünscht.

Je schneller ein Auto unterwegs ist, umso länger braucht es, um wieder stehenzubleiben. Die Bremse ist dann die Impulskontrolle und so eine Bremse muss gewartet und gepflegt werden. Wie du Impulskontrolle bei deinem Hund aufbauen kannst und was du im Alltag beachten solltest, erfährst du nächsten Dienstag auf meinem Blog.

Was impulsive Reaktionen und Verhalten beim Hund begünstigen kann:

Das Alter deines Hundes

Während der Jugendentwicklung wird es deinem Hund schwer fallen, Impulskontrolle auszuüben. Wann und wie lange die Jugendentwicklung dauert, hängt vom Hund ab. Je schwerer und größer die Hunde, umso länger dauert der Umbau des Gehirns in der Jugendentwicklung. Die Jugendentwicklung beginnt im Normalfall mit der Geschlechtsreife des Hundes und dauert bei großen Hundetypen bis 3 oder 3,5 Jahre.

Die Körpergröße deines Hundes

Je massiger ein Hund mit einer hohen Knochenstärke und hoher Grundsubstanz, umso besser ist die Fähigkeit zur Impulskontrolle. Achtung – es geht hier nicht um übergewichtige Hunde, sondern um die Breite und Stärke des Knochen- und Körperbaus.

Je leichter und schmaler der Körperbau eines Hundes, umso höher ist der Stoffwechsel, was zu einem schlechteren Nervenkostüm führen kann.

Achtung – Hunde, die nur auf Masse gezüchtet werden und die aufgrund dieser Größe andere gesundheitliche Probleme, zum Beispiel im Bewegungsapparat haben, werden dennoch nicht generell eine gute Impulskontrolle haben, denn Wohlbefinden spielt auch da eine Rolle. Mehr dazu findest du unter Punkt drei.

Die Rasse deines Hundes bzw. Linien innerhalb der Rasse

Das passiert durch die Selektion auf einen bestimmten Körperbau, aber auch durch die Selektion auf Hunde, die schnell reagieren sollen. Zum Beispiel Linien, die speziell für bestimmte Hundesportarten gezüchtet werden, bei denen schnelle Reaktionen erwünscht sind. Diese Hunde sollen im Sport schnelle Entscheidungen treffen und reagieren. Mit diesen Hunden hast du viel Spaß beim Training, aber diese Hunde sind nicht nur im Training schnell mit ihren Entscheidungen.

Impulskontrolle kann starke emotionale Reaktionen dämpfen und wenn so ein Hund Aggressionsverhalten zeigt, ist das oft ein großes Problem.

Ein idealer Hund, der im Sport eine Granate ist und im Alltag 100% gechillt durchs Leben geht, ist ein Glücksgriff.

Dein Hund hat Verhaltensprobleme

Dein Hund hat verschiedene Baustellen im Alltag. Dadurch hat er Stress. Das kann zu mehr impulsiven Reaktionen führen und die Impulskontrollfähigkeit deines Hundes hemmen.

Du solltest dir merken, dass Impulsivität ein Symptom von anderen Verhaltensproblemen sein kann. Vielleicht leidet dein Hund unter Trennungsstress, da er aber weder laut ist noch etwas kaputt macht, merkst du es nicht und auch deine Nachbar*innen bekommen nichts mit. Neigt dein Hund zu impulsivem Verhalten, solltest du in Erwägung ziehen, dass es ein Symptom von einem unerkannten Verhaltensproblem sein kann.

Diese drei Dinge solltest du über Impulskontrolle beim Hund wissen:

1. Impulskontrolle kann dein Hund nur situationsspezisfisch erlernen.

Die Fähigkeit zur Impulskontrolle wird von deinem Hund nicht generalisiert. Kann dein Hund zehn Minuten vor dem vollen Futternapf warten, wird er das nicht zwangsläufig bei einem sitzenden Kaninchen können. Wenn du möchtest, dass dein Hund wartet und steht, während ein Kaninchen vor ihm sitzt, dann musst du an einem sitzenden Kaninchen trainieren. Und wenn du dann noch möchtest, dass dein Hund wartet und steht, wenn ein Kaninchen vor ihm wegläuft, dann musst du an einem weglaufenden Kaninchen trainieren.

Wenn dein Hund in einer Situation gelernt hat zu warten, kann er nicht zwangsläufig in einer anderen warten.

2. Impulskontrolle verschlechtert sofort die Fähigkeit zur Impulskontrolle.

Für einen gewissen Zeitraum wird die Fähigkeit zur Impulskontrolle nach ausgeübter Impulskontrolle schlechter. Hat dein Hund sich fünf Minuten rennende Kaninchen angesehen und brav gewartet, was ihn Impulskontrolle gekostet hat, kann er danach nicht sofort wieder Impulskontrolle zeigen und zehn Minuten im Bleib darauf warten, dass du ein Spielzeug versteckst und dieses dann zwischen den Kaninchenbauten suchen.

Auch die Suche von einem Spielzeug im Kaninchenwunderland kostet deinen Hund Impulskontrolle, denn er muss die Kaninchen, ihren Duft, ihre Köttel und alles andere ausblenden für die Suche.

Durch Untersuchungen am Menschen wissen wir, dass ausgeübte Impulskontrolle nicht leicht ist. Hat ein Mensch Impulskontrolle gezeigt, beeinflusst das sein nachfolgendes Verhalten.

  • Die Konzentrationsfähigkeit leidet.
  • Das Gedächtnis arbeitet nicht auf Höchstleistung.
  • Die Ausdauer eines Menschen beim Lösen schwieriger und frustrierender Aufgaben leidet.
  • Und Menschen reagieren aggressiver auf Provokationen.

Ich denke, beim Hund sieht das nicht anders aus und meine Beobachtungen im Alltag mit meinen Hunden und bei den Hunden meiner Kund*innen sind ähnlich.

Dein Hund kann nach einer Situation, in der er warten musste, nicht gleich wieder warten.

3. Stress mindert die Impulskontrolle bei deinem Hund.

Um Impulskontrolle und ein Verhalten bei sich selbst zu hemmen, braucht dein Hund einen ganz bestimmten Teil in seinem Gehirn – den präfrontalen Kortex.

Im Gehirn sorgt der präfrontale Kortex u.a. dafür, dass Impulskontrolle ausgeübt werden kann und dass damit vor allem Emotionen reguliert werden. Damit wird ein Alternativverhalten überhaupt erst möglich. Dank dem präfrontalen Kortex kann dein Hund statt in die Leine zu springen und zu bellen, sich hinsetzen und warten. Für uns Menschen ist das im Training und Alltag sehr wichtig, deshalb sollte der präfrontale Kortex sehr pfleglich behandelt werden.

Dieser Gehirnbereich ist sehr empfindlich und seine volle Leistungsfähigkeit hängt vom Alter und dem Stresslevel deines Hundes ab. Und das ist auch der Grund, warum es deinem Hund während seiner Jugendentwicklung schwerfällt, Impulskontrolle zu zeigen – der präfrontale Kortex entwickelt sich in der Jugendentwicklung als letzter Teil und seine volle Funktionsfähigkeit ist erst ab dem Ende der Jugendentwicklung vorhanden.

Sobald das Stresshormon Cortisol ansteigt, verringert sich die Leistungsfähigkeit des präfrontalen Kortex. Emotionale Reaktionen können damit nicht mehr so gut gehemmt werden. Impulsive Reaktionen werden damit wahrscheinlicher.

Angst-, Aggressions- und auch Hüte- und Jagdverhalten werden unter Stress schneller ausgelöst.

Und können unter Stress nicht mehr oder nur sehr schwer durch erlerntes Verhalten bewusst vom Hund gehemmt werden.

Wir Menschen sind übrigens die Lebewesen mit dem leistungsfähigsten präfrontalen Kortex und verfügen damit auch über die beste Impulskontrolle. Denke daran, wenn du dir das nächste Mal nicht die Tafel Schokolade, den Kauf eines neuen Hundespielzeugs oder das zu-schnell-Fahren in einer 30er-Zone verkneifen kannst.

Die beste Pflege für den präfrontalen Kortex ist, dafür zu sorgen, dass der Stresshormon-Spiegel nicht über einen längeren Zeitraum oben bleibt. Das gilt nicht nur für deinen Hund, sondern auch für dich selbst.

Über mehrere Tage andauernder Stress mit einem dauerhaft hohen Cortisolspiegel sorgt dafür, dass die Funktionsfähigkeit des präfrontalen Kortex generell runterfährt und sich sogar die Strukturen in diesem Teil des Gehirn verändern können. Der präfrontale Kortex kann sich nur regenerieren, wenn du Stress bei deinem Hund vermeidest. Die Regeneration braucht solange, wie der Hund und sein Gehirn dem Dauerstress ausgesetzt waren.

Merke dir:

Der präfrontale Kortex des Hundes muss gepflegt werden! Damit er das leisten kann, was wir von ihm in der Menschenwelt verlangen.

Im nächsten Artikel findest du dann den zweiten Teil, in dem ich dir zeige, welche Möglichkeiten du hast um, Impulskontrolle bei deinem Hund aufzubauen.

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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