Wie du die Ängste deines Hundes besiegst

von Ulrike Seumel

Ich habe es selbst durchlebt. Paco stammt aus einem spanischen Tierheim und mir war klar, dass es nicht immer leicht sein wird. Naiv habe ich geglaubt, dass Paco schon merken wird, dass alles nicht so schlimm ist. Paco hatte es nicht leicht – Geräuschangst, Trennungsstress und Angst vor fremden Objekten machten ihm das Leben in der Stadt zur Hölle.

Spaziergänge waren nur noch an ruhigen und verlassenen Orten möglich, da Paco vor jeder Stimme Angst hatte und nach Hause wollte. Er war nicht ansprechbar, lief Richtung Auto oder nach Hause oder knallte immer wieder ins Ende der Leine. Manchmal wollte er 24 Stunden nicht pullern und ich fuhr ihn mit dem Auto raus aus der Stadt, damit er sich lösen kann.

Ich war verzweifelt, da ich ihm nicht helfen konnte. Ich war frustriert, weil es immer schlimmer wurde. Ich war traurig, weil es ihm so schlecht ging.

An diesem Punkt suchte ich nach Lösungen und ich muss fast dankbar sein, dass es so war – denn nur darum bin ich jetzt Hundetrainerin.

Warum du die Ängste deines Hundes nie ignorieren darfst

Ein Ratschlag, den ich von vielen Hundehalter*innen und sogar einem Verhaltenstherapeuten für Hunde bekam – du musst die Angst ignorieren, darfst ihn nicht ansehen, nicht ansprechen, nicht anfassen, nicht füttern,…

Leider habe ich das für viele Monate getan, weil ich seine Angst nicht belohnen wollte. Für Angst belohnen? Daran habe ich geglaubt, aber Pacos Angst wurde immer größer. Dabei habe ich ihn immer so standhaft ignoriert.

Dank dem Internet und meinen ersten Seminaren bei Maria Hense und bei Dr. Ute Blaschke-Berthold wusste ich endlich, warum das nicht funktioniert hat und dass Paco und ich auf dem richtigen Weg waren.

Schon ein paar Wochen vor den Seminaren hatte ich angefangen, Paco zu unterstützen, wenn er Angst hat.

  • Ich habe freundlich und ruhig mit ihm gesprochen.
  • Ich habe mit ihm etwas Schönes gemacht und Dinge abgefragt, die er gern macht (wenn er noch mitmachen konnte.)
  • Ich habe ihn nicht mehr in den Situationen allein gelassen, sondern habe mit ihm den Rückzug angetreten.

Das ist keine perfekte Trainingsanleitung, aber es hat Paco und mir zu Beginn sehr geholfen und wir beide konnten etwas aufatmen. Augen-zu-und-durch war endlich Geschichte.

Mir hat damals das Buch „Der ängsliche Hund: Stress, Unsicherheit und Angst wirkungsvoll begegnen“ von Nicole Wilde geholfen.

Die Angst zu ignorieren, wird deinem Hund nicht helfen. Wenn du Glück hast, merkt dein Hund vielleicht, dass es nicht schlimm ist und kann die Situation allein bewältigen, das hat bei uns leider nie funktioniert – dafür ging es Paco zu schlecht.

Mein Job zeigt mir leider, dass es nicht nur Paco so geht. Wenn du dich also für das Ignorieren entscheidest – beobachte deinen Hund genau und achte darauf, wie es ihm geht und ob er immer öfter Angst bekommt.

Emotionen und Verhalten – der kleine feine Unterschied

Dass Hunde Emotionen empfinden, ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Emotionen und Verhalten gehen Hand in Hand und Training beeinflusst immer beide Bereiche.

Ohne die Emotion Angst wird dein Hund nicht flüchten – ein Angstauslöser muss erst die Emotion Angst auslösen, damit dein Hund das Verhalten Flucht, sich Verstecken oder Ähnliches zeigt.

Ignorierst du das Verhalten und seine Emotion Angst, machst du erst mal nichts falsch, aber wenn du deinem Hund helfen willst, solltest du reagieren.

Buchtipp: Schreck lass nach – Der Einfluss von Stress und Angst auf Gehirn und Verhalten von Heike Westedt

Wie du deinem Hund helfen kannst

Wenn du möchtest, dass es deinem Hund besser geht, dann mach etwas, was ihm gut tut.

Bist du traurig, hilft es dir, wenn jemand nett zu dir ist, oder? Wenn du Angst hast, hilft es dir, wenn jemand für dich da ist?

So geht es deinem Hund auch! Wenn dein Hund Angst hat, verbessern sich seine Emotionen, wenn du etwas tust, was ihm angenehm ist.

Es ist wichtig, dass du deinen Hund gut kennst und ihn einschätzen kannst – denn ihm geht es nur besser, wenn deine Hilfe ihm gut tut.

Paco wollte damals nicht angefasst werden, wenn er Angst hatte. Ihn zu knuddeln, hätte seine Angst nicht kleiner gemacht, weil ihm das Knuddeln in diesem Moment unangenehm war.

Paco konnte ich helfen

  • mit Bewegung
  • mit ruhigem, stimmlichem Lob
  • durch Verhalten abfragen, was er gut konnte und gern gemacht hat
  • mit seinem Ball (das hat aber nur selten funktioniert, da er bei Angst Spiel sofort einstellt)
  • mit Futter suchen (war länger als Spiel möglich, wurde dann aber auch eingestellt bei Angst)

Was hilft deinem Hund, wenn er Angst hat?

Wenn du etwas tust, was deinem Hund zusätzlich unangenehm ist, wird es ihm schlechter gehen. Schimpfen und Strafe sind absolut Fehl am Platz.

Hat es dir jemals geholfen, wenn du bei Liebeskummer gehört hast, dass du ja selbst schuld daran bist und dass du dich nicht so anstellen sollst? Der Liebeskummer ging sicher irgendwann vorbei, aber nicht dank dieser Vorwürfe. In diesem Moment ging es dir sogar etwas schlechter.

Nachdem ich das verstanden und verinnerlicht hatte, habe ich es aktiv im Alltag genutzt. Ich habe begonnen, Angstauslöser mit guten Emotionen zu verknüpfen.

Da Paco auf so gut wie alles reagiert hat, habe ich bei jedem lauten Geräusch etwas Tolles folgen lassen. Ganz egal, wie er auf das Geräusch reagiert hat.

  • Es knallt laut.
  • 1 Sekunde später startet das Tolle (z.B. sehr hochwertiges Futter)
  • Das Tolle hört auf, wenn der Auslöser wieder vorbei ist.

So konnten wir viele Angstauslöser abbauen und er wurde auch in den schwierigen Momenten besser ansprechbar.

Paco hatte wieder Spaß auf den Spaziergängen und wir mussten nicht sofort nach Hause fahren, nur weil andere Menschen unterwegs waren und dabei geredet haben. (Stimmen, die der Wind weiter trägt, gehörten zu seinen Angstauslösern.)

Belohnst du dann aber nicht Angstverhalten?

Nein.

Ich wiederhole mich sehr gern – Belohnungen müssen Bedürfnisse befriedigen, nur dann wird Verhalten verstärkt. Möchte dein Hund flüchten, weil er Angst hat, ist Futter keine passende Belohnung. Gutes Futter verbessert nur die Emotion deines Hundes verbessern – aber auch nur dann, wenn es für deinen Hund hochwertig ist und eine gute Emotion auslöst.

Möchte dein Hund flüchten, weil er Angst hat und du flüchtest mit ihm, weil du weiter gehst – dann wird dein Hund lernen, dass Flüchten sich lohnt, weil es ihm besser geht. Er schafft es, durch die Flucht vom Angstauslöser wegzukommen und das ist die beste Belohnung in diesem Moment. Du sorgst nicht dafür, dass die Angst belohnt wird, sondern dass es ihm besser geht und die Angst weniger wird.

Die Angst wird durch die Flucht aber nicht größer, außer du schimpfst währenddessen mit ihm und dadurch geht es ihm emotional schlechter.

Du wirst es nicht bei jedem Hund schaffen, jeden Angstauslöser abzubauen. Ist dein Hund stark gestresst oder wird krank, wird er wieder empfindlicher reagieren. Ist der Auslöser sehr stark, .z.B. ein Feuerwerk an Silvester, wird es für deinen Hund auch nicht leicht.

Deshalb war es mir wichtig, dass Paco lernt, stehen zu bleiben, wenn er Angst hat. Stehen bleiben ist das Gegenteil von Flucht und gibt mir Zeit, meinen ängstlichen Hund durch eine Leine zu sichern.

Das war bei Paco nicht schwer, denn wenn er Angst hatte, ist er für zwei Sekunden stehen geblieben und dann erst geflüchtet. (Eine Schleppleine hat ihn damals natürlich gesichert.)

Ich habe damals schon mit einem positiven Markersignal gearbeitet und es dafür genutzt.

Es hat laut geknallt, Paco blieb erschrocken stehen und genau dieses Stehen bleiben habe ich mit dem Markersignal eingefangen und dann belohnt.

Meine Belohnung war etwas Tolles wie Lob oder Futter (wenn er es nehmen konnte) und dann sind wir gemeinsam in die Richtung gelaufen, in die Paco gehen wollte.

Was hat Paco dabei gelernt?

Seine Emotion wurde verbessert – nach dem Knall folgte erst das positive Markersignal, was sowieso etwas Gutes auslöst und dann folgte Lob und Futter.

Danach konnte er gemeinsam mit mir Flüchten, das ist die eigentliche Belohnung für das Stehenbleiben und seine Kooperation mit mir. Das Lob und das Futter vorher waren das emotionale I-Tüpfelchen.

Dein positives Markersignal musst du vorher natürlich aufbauen und es in vielen schönen Situationen nutzen, damit es für deinen Hund ein Sicherheitssignal wird. Ich war damals skeptisch, ob mein Markersignal bei Paco wirklich etwas Gutes auslöst, wenn er Angst hat – denn ich konnte ihm nichts ansehen. Unsere Erfolge überzeugten mich aber vom Gegenteil, denn zum ersten Mal ging es Pacos besser und er hatte weniger Angst.

Lesetipp: Der Grund, warum du mit Markersignalen besser trainierst

Dabei ist es sehr wichtig, dass der Hund nicht ständig in Situationen gebracht wird, die zu viel für ihn sind. Wenn dein Hund panisch wird, die Situation nicht bewältigen kann, wird der Dauerstress ihm schaden und dein Training wird dich nicht zum Ziel führen.

Eine gute Trainerin an deiner Seite kann dich bei der Umsetzung unterstützen. Auch ich lasse meine Trainerkolleginnen auf meine Finger sehen. Jede*r neigt mal zu Betriebsblindheit.

Fazit

Angst sollte nicht ignoriert werden. Möchtest du die Emotionen deines Hundes dauerhaft verändern, musst du die Emotionen gegenüber angstauslösenden Dingen verändern.

Du musst alles vermeiden, was deinem Hund zusätzlich Angst macht, damit es ihm in den Situationen nicht noch schlechter geht.

Und du musst rausfinden, was deinem Hund gut tut, um ihm die Situation zu erleichtern.

Hat dein Hund keine Angst mehr, wird er auch nicht flüchten oder sich verstecken.

Ein guter Trainer zeigt dir, wie du Emotionen verändern und statt Flucht ein anderes Verhalten etablieren kannst.

Nimm deinen Hund ernst und unterstütze ihn. Sorge mit einem durchdachten Training dafür, dass euer Alltag nicht mehr von Angst bestimmt wird und ihr eure Zeit genießen könnt.

 

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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