Mit Futter für den Hund unter dem Kopfkissen einschlafen und lustig Hundekekse durch die Gegend werfen? So kann die Arbeit mit positiver Verstärkung aussehen, aber sie ist viel mehr.
1. Wurst, Käse und Trockenfutter
Positive Verstärkung = Hundemamis, die mit Würstchen um sich werfen?
Futter ist eine angenehme Belohnung und gehört natürlich zur positiven Verstärkung – aber Futter ist nicht alles.
Belohnungen müssen Bedürfnisse befriedigen, ansonsten verstärken sie kein Verhalten und jeder Hund auf der Welt hat neben dem Fressen andere Bedürfnisse.
Futterbelohnungen passen nicht immer zur Motivation deines Hundes – wenn er gerade Durst hat, wird dein salziger Käse kein Bedürfnis befriedigen. Der Hund wird deine gut gemeinte Belohnung vielleicht fressen, aber die “Belohnung” verstärkt kein Verhalten.
Nur mit Futterbelohnungen wirst du für deinen Hund schnell durchschaubar und auch langweilig. Überraschungen fehlen und der AHA-Moment für das Hundegehirn bleibt öfter aus.
Wenn du mit positiver Verstärkung erfolgreich arbeiten möchtest, solltest du auf verschiedene Belohnungen setzen – z.B.
- soziale Interaktion (Spielen, Loben, Lächeln, Streicheln…)
- Umweltbelohnungen (Schnüffeln, Ableinen, Schwimmen, Rennen, Gucken…)
- Lieblingstricks
- Futter in allen Varianten
- Suchaufgaben
- und alles andere, was dein Hund mag.
Wichtig ist nur: Die Belohnung sollte
- niemandem schaden
- legal sein und
- sie muss deinem Hund gefallen.
Aber du musst nicht jedes Mal eine Belohnungsparty feiern…
Lesetipp: Welche Belohnungen du für ein erfolgreiches Training brauchst
2. Belohnung müssen hochwertig sein – oder etwa nicht?
Jedes Wochenende eine Party reicht – die Belohnungen sollten sich auch in der Wertigkeit unterscheiden.
Bei Paco setze ich alles ein von einem netten Wort bis zu seinem Highlight, dem Ball. Was für deinen Hund hochwertig und nicht so hochwertig ist, musst du selbst herausfinden – aber einsetzen solltest du alles.
Dadurch entsteht keine Langeweile, da dein Hund nie weiß, was du als Belohnung einsetzen wirst und dein Hund ist nicht frustriert, wenn du die Leckerlies zu Hause vergessen hast.
Außerdem bleiben die Highlights etwas Besonderes, weil du sie nicht jeden Tag mehrmals einsetzen musst.
Dein Hund lernt außerdem seine Frustrationstoleranz zu verbessern, weil er sich zwischendurch immer wieder auch mit etwas zufrieden gibt, was nicht so toll ist wie sein Ball oder die Leberwurst.
3. Warum dich nur ein Ziel an dein Ziel führt
Wenn du nicht weißt, wo die Reise hingehen soll, wirst du nicht ankommen.
Du musst dir über dein Trainingsziel klar sein, denn nur so kannst du auch das passende Verhalten verstärken.
Durch ein Trainingsziel wirst du dir schneller darüber bewusst, ob du dein Training anpassen musst. Du hast im Blick, ob ihr euch weiter auf das Ziel zubewegt oder entfernt.
Neben einem großen Ziel brauchst du viele kleine Teilziele, um motiviert dabei zu bleiben und um Erfolge besser zu kontrollieren.
4. Kleinschrittig zum Erfolg
Ohne Teilziele wirst du deinen Hund überfordern oder einfach schnell frustriert aufgeben.
Ein kleinschrittiger Aufbau verhilft dir zu sicherem Verhalten bei deinem Hund.
Mein Umorientierungssignal habe ich kleinschrittig aufgebaut.
Ich habe zu Beginn nur in der Wohnung geübt, wenn Paco nicht abgelenkt war. Dann habe ich außerhalb der Wohnung ohne Ablenkung das UO-Signal abgefragt.
Dann mit leichteren Ablenkungen und ein paar Wochen später erst bei den schwierigen Stellen.
Ich bin nur einen Schritt weitergegangen, wenn das Signal vorher sicher abrufbar war. So hatte ich beim Aufbau keine Misserfolge und nach wenigen Wochen ein sicheres Signal, bei welchem sich Pacos Kopf sofort in meine Richtung dreht.
Ohne kleinschrittigen Aufbau hätte Paco in einigen Situationen sicher nicht auf das Signal reagiert und sein Gehirn hätte mein Signal als belangloses Hintergrundgeräusch abgespeichert.
5. Positive Verstärkung über alles
Nein, ich werde euch jetzt nicht empfehlen, Strafe einzusetzen – aber ihr müsst theoretisch über alles Bescheid wissen.
Das Hundegehirn bewertet alles. Es geht nicht darum, ob du etwas schön und beängstigend findest.
Wenn du deinem Hund auf die Pfote trittst, dann wird das Hundegehirn diesen ungewollten Tritt genauso bewerten wie einen gezielt eingesetzten Leinenruck.
Die Lerntheorie hinter der Praxis muss für dich klar sein.
Bleibt eine erwartete Belohnung beim Hund aus, könnte der Hund das als frustrierende Strafe empfinden.
Frustration kann deinen Hund entweder dazu anregen, sich mehr anzustrengen oder Unsinn zu machen. Angenehm ist sie für deinen Hund dadurch trotzdem nicht. Du als Trainer*in deines Hundes musst wissen, was du bei deinem Hund auslöst und ob das eine gute Wahl ist.
Um es nochmal zu betonen – ich lehne Strafen ab, die einem Hund Angst machen oder Schmerzen zufügen. So etwas wünsche ich mir für kein Lebewesen.
Um positive Verstärkung überall einsetzen zu können, musst du wissen, wann sie beginnt und vor allem wann sie aufhört.
Lesetipp: So lernt dein Hund
6. Verhalten ignorieren
Wenn dein Hund ein tolles Verhalten zeigt und du es ignorierst, tritt es vielleicht nie wieder auf.
Du solltest gutes Verhalten nicht ignorieren, sondern hervorheben und deinem Hund durch eine Belohnung zeigen, dass er DAS wieder tun muss.
Wenn dein Hund ein Verhalten schon sehr sicher zeigt, setzt du einfach immer mehr minderwertige Belohnungen ein.
Dein Hund lernt nämlich immer und nicht nur, weil dir gerade danach ist. Das gilt natürlich auch für Verhaltensweisen, die du nicht sehen willst.
Wenn du gutes Verhalten bei deinem Hund einfangen und hervorheben möchtest, eignet sich dafür der Einsatz eines Markersignals.
Zeigt dein Hund ein problematisches Verhalten, solltest du es nicht ignorieren, denn auch die Umwelt hält immer Belohnungen für deinen Hund bereit. Du solltest das Verhalten schnell und freundlich unterbrechen.
Wenn du das nicht kannst – warum hast du deinen Hund dann in diese Situation gebracht? Da hilft nur, die Leine festzuhalten und später für das nächste Mal zu überlegen, wie du die Situation verhindern und durch Training verändern kannst.
Meine Lieblingsverhaltensunterbrecher sind mein Umorientierungssignal, mein Rückruf und “Sitz”. Such dir dein Lieblingssignal aus und trainiere es kleinschrittig so gut, dass es auch in schwierigen Situationen funktioniert.
7. Planen und Üben
Trainingsziel, Teilziele und Management brauchen Planung und Übung.
Management ist sehr wichtig bei Verhaltensveränderungen – ein sehr bekanntes Management in letzter Zeit beim Thema Giftköder ist ein Maulkorb, mit dem der Hund draußen nichts fressen kann.
Das ändert nichts am Verhalten, aber schützt den Hund vor der Aufnahme von Gift (oder gefundenem Futter). Der Maulkorb ist eine Management-Maßnahme.
Management wird dann betrieben, wenn der Hund in Situationen gerät, die für ihn zu schwer und die nicht vermeidbar sind.
Management wird solange betrieben, bis dein Hund durch Training die Situation ohne Management meistern kann.
Lesetipp: Warum Management so wichtig für deinen Trainingserfolg ist
8. Positive Verstärkung – die Lösung für alles?
Nein, nicht was du jetzt vielleicht denkst … mit Hilfe von positiver Verstärkung kannst du viel erreichen, aber es gibt immer Grenzen der Trainierbarkeit.
Wenn dein Hund aufgrund von heftigen Schmerzen zubeißt, wirst du das kaum durch Training verändern können – und da wäre es egal, wie du trainierst.
Du musst die Ursachen der Schmerzen finden und deinem Hund die Schmerzen nehmen.
Viele Erkrankungen und Einschränkungen verändern Verhalten und sind nicht immer behandelbar.
Positive Verstärkung kann nicht zaubern, aber das gilt für jede Hundetrainer*in und jede Trainingsmethode.
9. Positive Verstärkung ist kinderleicht
Ja, positive Verstärkung ist super und sie ist in gewisser Weise auch einfach – wenn du aber nicht weißt, was du tust, wirst du deine Ziele nicht erreichen.
Positive Verstärkung hat weniger Nebenwirkungen als der Einsatz von Strafe – der Hund bekommt keine Angst und kooperiert gern mit dir.
Wenn du einmal den falschen Moment belohnst, wird sich das falsche Verhalten nicht sofort festigen. Wenn dein Timing aber immer daneben ist, ist auch irgendwann das Verhalten deines Hundes daneben.
Wenn du hoffst, dass sich durch positive Verstärkung Probleme von allein in Luft auflösen, bist du hier falsch, denn dein Engagement ist gefragt.
Die Arbeit mit positiver Verstärkung und Hunden fordert deinen Verstand und dein Können. Du musst dein Training reflektieren und für das Erreichen deiner Trainingsziele das Training immer wieder anpassen, falls es stockt.
Niemand hat gesagt, dass das einfach wäre und immer reibungslos klappt.
Dazu passt ein tolles Zitat von Drin. Ute Blaschke-Berthold:
Dir ist der Weg des Lernens egal, weil nur das Ziel zählt? Der Weg ist mindestens so wichtig wie das Ziel, denn es ist der Lernprozess, der das Gehirn verändert!