Warum Verhaltensunterbrecher so wichtig sind

von Ulrike Seumel

Wenn dein Hund mal wieder aus der Reihe tanzt, reicht es nicht, sein Verhalten zu ignorieren. Wie du das Verhalten deines Hundes freundlich unterbrechen kannst und warum das wichtig ist, erfährst du hier.

Wenn dein Hund ein Verhalten zeigt, hat er ein Warum.

Er zeigt sein Verhalten, weil ein Auslöser da ist, eine Emotion bei ihm ausgelöst wird und er mit seinem Verhalten ein Ziel verfolgt.

Dein Hund möchte z. B.

  • fremde Hunde vertreiben durch Schnappen
  • fremde Menschen auf Abstand halten durch Knurren
  • ein Reh hetzen
  • Essen vom Tisch klauen
  • schnell zu einer Schnüffelstelle, obwohl er an der Leine ist
  • Besucher*innen anspringen
  • Autos jagen

Ich habe bewusst ein paar Dinge aufgelistet, die so gut wie keine Hundehalterin bei ihrem Hund sehen möchte. Angst-, Aggressions- und Jagdverhalten gehören zu den Bereichen, in denen Verhaltensunterbrecher am meisten genutzt und auch gerechtfertigt werden. Doch sind sie wirklich so wichtig?

Was ist ein Verhaltensunterbrecher?

Ein Verhaltensunterbrecher sagt deinem Hund sicher nicht, dass er sein Verhalten nicht machen darf oder soll. Auch wenn das sehr praktisch wäre, funktioniert das leider nicht – außer in unserer menschlichen Vorstellung.

Wenn dein Hund Angst hat und wegrennen möchte, wirst du ihm nicht logisch erklären können, dass er dann auf eine Straße rennt und du das eben nicht willst. Es ist und bleibt ein Hund.

Richtig und falsch kennen Hunde nicht und sie verstehen auch nicht, was sich so bei uns Menschen gehört. Und trotzdem kannst du deinem Hund ein anderes Verhalten beibringen, statt zu hetzen, zu knurren oder wegzulaufen.

Warum sind Verhaltensunterbrecher so wichtig?

Das Wichtigste, was du dabei wissen musst, ist – solange die alte Strategie deines Hundes für ihn funktioniert, wird er nichts Neues lernen.

Eine Veränderung wird für das Gehirn erst nötig, wenn eine Strategie nicht mehr funktioniert oder du dem Hund eine andere Strategie beibringst, die für ihn funktioniert.

Wenn dein Hund zum Beispiel bemerkt, dass er nichts vom Tisch klauen kann, wenn du in seiner Nähe bist, weil du dann immer mit ihm schimpfst und ihn abhältst, wird er seine Strategie verändern. Er will ja vom Tisch klauen, weil sich das sehr lohnt, aber in deiner Nähe wird das nichts. Dank eines Zufalls, hat dein Hund dann doch wieder Erfolg – du bist nicht mehr aufmerksam und telefonierst und dein Hund schafft es, etwas vom Tisch zu klauen. Eine neue funktionierende Strategie ist da und dein Hund wartet einfach auf deine unachtsamen Momente. 😉

Die bessere Variante wäre, dass du ihm beibringst, auf seiner Decke zu warten, wenn etwas Essbares auf dem Tisch steht. Die Strategie „auf der Decke warten“ muss für deinen Hund aber funktionieren, d.h. er muss dafür mit Futter belohnt werden, wenn er auf der Decke liegen bleibt. Ansonsten wird er seine Strategie vielleicht wieder wechseln.

Warum Ignorieren nicht funktioniert?

Ignorieren des Verhaltens funktioniert nur, wenn dein Hund ein Verhalten zeigt, um Aufmerksamkeit von dir zu bekommen. Und dabei musst du dann sehr konsequent sein. Wenn dein Hund aber etwas vom Tisch klaut, ängstlich wegläuft, aggressiv einen anderen Hund vertreibt oder einen Hasen jagt, wird dein Ignorieren ihm vollkommen egal sein. Er wird sich bei dir fürs Nichtstören bedanken und erreicht sein Ziel. Durch Ignorieren allein wird sich sein Verhalten in Zukunft nicht verändern. 

Was du unbedingt brauchst, um Verhalten bei deinem Hund zu verändern

Du hast im Training zwei Möglichkeiten, die du beide nutzen solltest.

Management

Über Management kannst du verhindern, dass dein Hund überhaupt das unerwünschte Verhalten zeigt.

Lesetipp: Warum Management so wichtig für deinen Trainingserfolg ist – und wie du es für dich nutzen kannst

Durch geschicktes Management das Auftreten von unerwünschtem Verhalten zu verhindern, ist sehr wichtig, denn dein Hund trainiert ansonsten immer wieder das Verhalten, was du nicht willst. Das Verhalten bleibt damit lebendig und schnell abrufbar. Management ist aber in den meisten Fällen nicht zu 100% möglich. Versuche trotzdem, Möglichkeiten des Managements zu finden, denn kleine Veränderungen sind immer machbar.

Training

Parallel dazu brauchst du natürlich durchdachte Trainingssituationen, in denen dein Hund seine neue Strategie erlernen und festigen kann. Denn das Verhalten, was du nicht haben willst, wird immer durch ein Anderes ersetzt. Deshalb hilf deinem Hund, eine Strategie zu finden, mit der du und er gut leben könnt. Und gerade bei Angst- und Aggressionsverhalten bringen gute Emotionen im Training natürlich auch gute Verknüpfungen mit den Auslösern.

Um das Aggressionsverhalten von unserem Hund Ascii gegenüber Menschen und Hunden zu verändern, bin ich mit ihm öfter allein kurze Gassirunden gegangen, dabei habe ich mich voll auf ihn konzentrieren können. Ich habe Strecken und Zeiten ausgewählt, auf denen wir gute Trainingsbedingungen hatten und er viel gutes Verhalten zeigen konnte – d.h. wir hatten Begegnungen mit Menschen und Hunden, aber nicht im Minutentakt und mit einem möglichst passenden Abstand.

Wenn ich mit Paco und Ascii gemeinsam Gassi gegangen bin, habe ich mir Strecken und Zeiten rausgesucht, auf denen sehr wenig los war und wo ich sehr weit gucken konnte, um ausweichen zu können. So konnte ich vermeiden, dass Ascii die Strategie Aggressionsverhalten zeigen musste und konnte erwünschtes Verhalten von ihm belohnen. Außerdem konnte er dabei auch entspannte Spaziergänge genießen – denn Aggressionsverhalten zu zeigen, hat Ascii auch keinen Spaß gemacht.

Es reicht aber nicht, den Problemen nur aus dem Weg zu gehen, das Training darf nicht vergessen werden.

Du brauchst:

Ein super gutes und durchdachtes Training, in dem der Hund eine neue Strategie erlernt, die passend belohnt und gefestigt wird

+

Management, damit das unerwünschte Verhalten, also die alte Strategie, nicht mehr ausgelöst wird.

Wenn du das Verhalten nicht immer verhindern kannst…

Sobald du nicht zu 100% dafür sorgen kannst, dass du durch Management das unerwünschte Verhalten deines Hundes verhindern kannst, musst du sein unerwünschtes Verhalten schnell unterbrechen können.

Ein Verhaltensabbruch bedeutet aber nicht, dass du deinen Hund dabei erschrecken oder dass du ihn für sein Verhalten bestrafen musst.

So unterbreche ich Aggressionsverhalten

Da es auch auf den ausgewählten Strecken immer mal zu ungewöhnlichen Begegnungen kam, weil eine andere Hundehalter*in ihren Hund nicht abrufen konnte oder ein Hund sehr weit allein unterwegs war, brauchte ich Verhaltensunterbrecher für Ascii. Statt mich über andere Hundehalter*innen aufzuregen, habe ich möglichst schnell Verhaltensunterbrecher aufgebaut und erst mal ausprobiert, was sein Verhalten schon unterbrechen kann.

Der einfachste Verhaltensunterbrecher bei Ascii war tatsächlich sein Markersignal – das Klicken des Clickers. Er hat auch das heftigste Bellen und in die Leine springen sofort unterbrochen und mich angesehen und seine Belohnung erwartet, wenn ich geclickt habe. Ansprechen oder andere Dinge waren da noch nicht möglich. Da der Clicker sein Verhalten so schnell und zuverlässig unterbrochen hat, habe ich ihn dafür auch genutzt. Mit der Belohnung nach dem Click habe ich Ascii aus der Situation rausgebracht, damit er nicht wieder beginnt zu bellen. Und sein Markersignal hat in der schwierigen Situation gleich eine gute Stimmung gemacht.

Und ja, das war kein gutes Timing und ja, du hast Recht – dafür ist ein Markersignal nicht gemacht. Da es aber zuverlässig, sofort und freundlich sein Aggressionsverhalten unterbrochen hat, war es zu Beginn die perfekte Wahl. Außerdem wurde er schnell viel besser und hat immer seltener das Aggressionsverhalten gezeigt, dadurch wusste ich, dass ich alles richtig mache. Also doch ein super Training in unserem Fall!

Parallel dazu habe ich ein Umorientierungssignal aufgebaut und am Rückruf gearbeitet, weil der natürlich extrem wichtig ist in allen Lebenslagen. Statt des Markersignals konnte ich dann sehr schnell auf das Umorientierungssignal und den Rückruf als Verhaltensunterbrecher umsteigen.

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Mittlerweile kennt Ascii noch viele andere Signale und wir nutzen am liebsten zum Unterbrechen von Verhalten:

Je nachdem, was wir unterbrechen wollen – Jagdverhalten, Grasbüschel kauen, zu grobes Spiel, … denn Verhaltensunterbrecher sind keine große Sache und jedes Verhalten, was dein Hund auf Signal beherrscht oder bei ihm eine gute Emotion (und damit eine gute Erwartungshaltung) auslöst, kann ein Verhalten unterbrechen.

Brauchst du einen extra Verhaltensunterbrecher?

Du musst auch keine extra Verhaltensunterbrecher trainieren – wenn dein Hund sich auf Signal hinsetzen kann, kannst du ihn damit auch in jeder Situation stoppen. Dazu braucht es keinen extra Verhaltensunterbrecher.

Suche dir am besten ein Signal aus, was dein Hund schon beherrscht und arbeite mit einer guten Planung und Belohnungen daran, dass dieses Verhalten sicher abrufbar wird. Das ist definitiv mit jedem Hund erreichbar – es scheitert meiner Erfahrung nach oft am Menschen, weil er zu früh aufgibt oder die Lust verliert. Es ist oft verlockender, etwas Neues zu beginnen und ein Sitz oder ein Umorientierungssignal mal schleifen zu lassen. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung – aber dran bleiben und sich immer mal wieder über das Training Gedanken zu machen, bringen dich zu einem sicher auslösbaren Signal.

Was bringt es mir, wenn mein Hund 100 Signale beherrscht, aber alle nur zu 60% funktionieren und keins davon zu 99 oder sogar 100% auslösbar ist?

Warum du freundliche Verhaltensunterbrecher nutzen solltest

Der große Vorteil an freundlichen Verhaltensunterbrechern ist, dass der Hund auf diese wartet, weil sie sich gut anfühlen. Ascii zum Beispiel hat nach kurzer Zeit plötzlich mitten im Bellen selbst gestoppt und mich angeschaut – ich war etwas langsam und er hat sich wohl gefragt, wann ich endlich clicke oder ihn später anspreche. Und ein Hund, der sein Aggressionsverhalten an der Leine von allein unterbricht, ist ein großer Grund, sich zu freuen. (Auch wenn ich vorher trotzdem versagt hatte, weil ich den Hund in diese Situation gebracht oder sie falsch eingeschätzt habe.)

Wenn du weißt, was du tust, musst du auch keine Angst vor einer Verhaltenskette haben. Bei Ascii hat sich nie eine Verhaltenskette gebildet. Außerdem sind Verhaltensketten viel einfacher abzubauen als Aggressionsverhalten und sie tun auch niemandem weh. 😉

Warum Erschrecken als Verhaltensunterbrecher so oft in die Hose geht

Wenn du jetzt an die Klassiker denkst, die zum Unterbrechen von Verhalten oft genutzt werden – wie z.B. Rütteldosen, Wasserspritzpistolen, Anschreien, Leinenrucks und Co., musst du ihre Nebenwirkungen beachten. Wenn sie überhaupt funktionieren, dann nur, weil sie den Hund erschrecken.

In angespannten Situationen können sie das Zünglein an der Waage sein und sogar Aggressionsverhalten bei deinem Hund (oder auch dem anderen involvierten Hund) auslösen.

Dein Hund wird die ganze Situation mit hoher Erregung, Stress und einem Schrecken verknüpfen. Das kann für Probleme sorgen, weil er damit im schlimmsten Fall zu einer tickenden Zeitbombe wird, die irgendwann hoch geht. Da keine Trainer*in auf der Welt diese Nebenwirkungen ausschließen kann, bleibt immer ein Risiko.

Lesetipp: Was jeder über Strafe im Hundetraining wissen sollte

Wenn du möchtest, dass dein Hund nachdenkt und sich für etwas entscheidet, was du ihm beigebracht hast, dann darf er in diesem Moment nicht total gestresst oder ängstlich sein.

Dein Hund wird auch niemals darauf warten, dass du ihn endlich erschreckst und sich von allein unterbrechen. Die Ansprechbarkeit deines Hundes wird dabei nicht besser.

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Was du unbedingt beachten musst für ein erfolgreiches Training

Das gilt, egal, ob du deinen Hund freundlich unterbrichst oder erschreckst.

Wenn du ständig das Verhalten deines Hundes unterbrechen musst, weil er eine Strategie benutzt, die du nicht willst, läuft etwas verkehrt.

Wenn dein Hund immer wieder die Chance hat, sein altes Verhalten zu zeigen, weil du ihm keine andere Wahl lässt und ihn immer wieder in diese Situation bringst, wird das Umlernen länger dauern oder unmöglich werden.

Je seltener dein Hund seine alte Strategie anwenden kann, umso schneller wird er die neue Strategie zuverlässig nutzen.

In unserem Fall kam es zu Beginn höchstens 4 Mal in der Woche vor, dass Ascii Aggressionsverhalten gezeigt hat, weil ich den Rest durch Management regeln konnte oder Ascii stark in den Situation geholfen habe.

Fazit

Verhaltensunterbrecher sind gar keine große Sache, denn du nutzt sie sowieso schon sehr oft – da du deinen Hund ja öfter mal zu dir rufst. 😉 Denn ein Verhaltensunterbrecher kann alles sein, was das aktuelle Verhalten deines Hundes unterbricht.

Wenn du deinen Hund erschrecken musst, um Verhalten zu verändern, kann das Nebenwirkungen mitbringen, die den Alltag und das Verhalten deines Hundes oft erschweren. 

Wenn du bei deinem Hund Verhalten verändern möchtest, musst du neben einem guten Training auch Management einsetzen, damit dein Hund mit seinem alten Verhalten nicht ständig Erfolg hat.

Eine Veränderung wird für das Gehirn erst nötig, wenn eine Strategie nicht mehr funktioniert oder du dem Hund eine andere Strategie beibringst, die für ihn funktioniert.

Neben einem guten Training und Management musst du mit deinem Hund so zuverlässig zumindest ein Signal trainieren, um auch unerwünschtes Verhalten unterbrechen zu können.  

Um Verhalten bei deinem Hund dauerhaft zu verändern, brauchst du

ein super gutes und durchdachtes Training, in dem der Hund eine neue Strategie erlernt, die passend belohnt und gefestigt wird

+

Management, dass das unerwünschte Verhalten, also die alte Strategie, nicht mehr ausgelöst wird

+

einen zuverlässigen Verhaltensunterbrecher, der deinen Hund nicht erschreckt, wenn er doch das unerwünschte Verhalten zeigt. 

 

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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