Was jede*r über Strafe im Hundetraining wissen sollte

von Ulrike Seumel

Wenn ich über Strafe schreibe, dann meine ich Maßnahmen, die du ganz bewusst einsetzt und nicht dein flattriges Nervenkostüm, was dein Hund gerade wieder ins Wanken bringt.

Und das ist der erste und wichtigste Punkt – wenn du Strafe im Training einsetzen möchtest, musst du wissen, was du tust und das geht nur, wenn du selbst ansprechbar bist und klar denken kannst.

Wenn du sauer bist und es nur aus dir rausknallt, wirst du deinen Hund sicher erschrecken und ihm eine nicht so schöne Zeit bescheren, aber dein Trainingsziel wirst du damit nur mit ganz viel Glück erreichen. Und auf dein Glück solltest du dich nicht verlassen.

Welche Art von Strafe du im Training einsetzen kannst

In meinem Artikel So lernt dein Hund habe ich dir einen Überblick gegeben, was Strafe und Belohnung sind und was sie beim Hund bewirken.

Bei der frustrierenden Strafe (in der Lerntheorie negative Strafe) wird dem Hund etwas Angenehmes weggenommen oder vorenthalten. Du entziehst ihm die Möglichkeit, sein aktuelles Bedürfnis zu befriedigen. Das schafft bei deinem Hund Frustration.

Die frustrierende Strafe kannst du nur einsetzen, wenn du die Kontrolle über die Situation hast und weißt, was dein Hund gerade tun möchte. Wenn dein freilaufender Hund einen Hasen jagt, wäre die einzige Möglichkeit, ihn durch Frustration zu bestrafen, wenn du den Hasen sofort wegbeamst. Dein Hund würde ins Leere laufen und er würde nicht mehr hetzen können. Aber einen Hasen vom Erdboden verschlucken zu lassen, ohne dass eine interessante Hasenspur übrig ist, wird unmöglich.

Du musst also kontrollieren können, was dein Hund gerade möchte und darfst ihn dabei nicht erschrecken.

Wenn du ihn erschreckst, nutzt du schon die ängstigende Strafe (in der Lerntheorie positive Strafe – wenn du dich fragst, warum das so heißt, schau in meinen Artikel “Wie lernt dein Hund”). Bei dieser Form der Strafe fügst du der Situation etwas Unangenehmes hinzu, was deinem Hund Angst macht oder ihm wehtut. Weil dein Hund so etwas in Zukunft natürlich vermeiden möchte – denn wer will schon Angst oder Schmerzen haben?! – wird er sein Verhalten anpassen.

So läuft es zumindest in der Theorie… In der Praxis sieht es etwas komplizierter aus.

Was lernt dein Hund stattdessen?

Ja, er lernt immer etwas, aber nicht immer das, was du dir wünschst.

Wenn du Strafe nutzt, stellst du im besten Fall ein Verhalten bei deinem Hund ab. Dein Hund könnte aber stattdessen ein neues Verhalten zeigen, was dir auch nicht gefällt. Statt auf den Stuhl zu klettern, nimmt er den Tisch. Statt zu knurren, schnappt er gleich.

Du musst mit deinem Hund immer ein anderes Verhalten trainieren. Nach der Strafe kannst du das Alternativverhalten abfragen, wenn du es unter Signal gestellt hast und das Ausführen belohnen. Falls dein Hund von allein eine gute Idee hat, kannst du diese Idee durch eine Belohnung verstärken.

Du könntest dir also die Strafe sparen und gleich dazu übergehen, ein anderes Verhalten zu trainieren oder, bevor dein Hund ein in deinen Augen falsches Verhalten zeigt, noch ein gutes Verhalten belohnen oder ein anderes Verhalten abfragen. Warum die Nebenwirkungen von Strafe in Kauf nehmen?

Das bedeutet auch, dass dein Hund schon ein Alternativverhalten beherrschen sollte, bevor du Strafe anwendest, denn er muss eine Idee haben, was er tun kann.

Du musst dich an Regeln halten!

Jedes Mal… Nicht nur, wenn du müde oder genervt bist.

Du musst jedes Mal das Verhalten bestrafen. Beim ersten Mal, wenn dein Hund das Verhalten zeigt, musst du Strafe einsetzen. Ist dein Hund zu weit weg oder du gar nicht anwesend, hast du ein Problem, denn dein Hund wird lernen, dass es ein Schlupfloch gibt. Wenn der oder die Spielverderber*in schläft, hole ich mir die Kissen und kaue sie durch…

Wenn du ein Verhalten manchmal bestrafst und es manchmal einfach laufen lässt, ist das für deinen Hund Psychoterror. Er versteht nicht, warum du manchmal einfach genervt bist und dann mit ihm schimpfst und warum das manchmal nicht passiert. Er ist ein Hund, er versteht nicht, dass du einen schlechten Tag hattest und ein Opfer deiner Emotionen bist.

Wenn du dich gerade dabei erwischt, dass dir das passiert, dann versuche, solche Situationen in Zukunft zu managen.

Wenn dir das öfter passiert, solltest du mal drüber nachdenken, warum du gerade leicht reizbar bist und dir selbst helfen. (Auch wenn ich weiß, dass das leichter gesagt als getan ist.)

Wie hart darf eine Strafe sein?

Tja, Strafe sollte so hart sein, dass dein Hund in Zukunft sein Verhalten nicht mehr zeigt oder das Verhalten zumindest abgeschwächt wird. Wie in Zukunft? Du hast sicher genau so wenig wie ich eine Glaskugel zu Hause und wirst nicht wissen, ob es gereicht hat.

Das macht es sehr schwer, die Intensität einer Strafe zu bestimmen, denn sie muss hart genug sein, damit dein Hund sie in der Situation als bedrohlich oder frustrierend genug bewertet, um sein Verhalten nicht mehr zu zeigen – aber nicht so hart, dass sie deinem Hund schadet.

Strafe muss deinen Hund nicht unterbrechen – aber das ist natürlich etwas, was du dir sicher wünschst. Das ist aber nicht das Ziel von Strafe, zumindest in der Lerntheorie.

Perfektes Timing ist gefragt

Ja, wann fängt denn das Verhalten an, was du bestrafen willst? Im Kopf des Hundes oder bei seiner Ausführung? Schwierige Frage, oder?

Ein Verhalten sollte sofort bestraft werden, wenn es beginnt. Du darfst dir auf keinen Fall mehr als drei Sekunden Zeit lassen, weil dein Hund sonst die Strafe nicht mit seinem Verhalten verknüpfen kann.

Wenn du eine Sekunde abziehst, in der du erst mal überlegst und realisierst, was passiert, hast du gerade schlappe zwei Sekunden Zeit. Da musst du echt schnell sein und dein Hund immer in deiner Nähe.

Du musst deinen Hund vorwarnen

Wenn du wirklich Strafe nutzen willst, muss du deinem Hund ein Signal beibringen, was ihm ankündigt, dass gleich eine spezifische Strafe folgt. So ein Warnsignal verschafft dir ein etwas besseres Timing und dein Hund hat zumindest die Chance, sich anzupassen.

Aber du musst dich selbst unter Kontrolle haben – ein Warnsignal kündigt die Strafe an und ist nicht die Strafe selbst. Ein gebrülltes “Nein” erschreckt deinen Hund und ist keine neutrale Ankündigung. Ein normal gesprochenes “Nein”, während du bedrohlich mit großen Augen und hasserfülltem Gesicht auf deinen Hund zurennst, ist auch keine neutrale Ankündigung.

Wenn du es schaffst, dein Warnsignal, ohne deinen Hund zu erschrecken, zu geben, kann er sein Verhalten stoppen und du kannst die Strafe weglassen. Das gibt deinem Hund eine Chance, die Situation besser zu bewältigen und ohne Strafe auszukommen.

Stoppt dein Hund, wenn du dein Warnsignal gibst, muss die Strafe ausbleiben.

Dein Hund zeigt das Verhalten immer wieder?

Obwohl du fleißig strafst, zeigt dein Hund das Verhalten immer wieder. Da läuft etwas falsch. Dein Hund gewöhnt sich gerade an deine Strafmaßnahmen und du stresst ihn immer wieder. Wenn das der Fall ist, solltest du unbedingt schauen, ob du dich an alle Regeln hältst und vielleicht darüber nachdenken, lieber auf Belohnungen umzusteigen.

Diese Regeln gelten sowohl für ängstigende als auch die frustrierende Strafe.

Nebenwirkungen von Strafe

Hunde verstehen unsere Moral leider nicht. Richtig und falsch sind für sie nicht wichtig. Sie suchen nach Bedürfnisbefriedigung und nach Sicherheit.

Ein Hund wird versuchen, Verhaltensweisen zu vermeiden, die sich für ihn nicht lohnen, weil er Angst hatte oder weil es für ihn frustrierend war. Ein Hund bleibt ein Hund und wenn ein Hund extrem motiviert ist zu jagen, wird er dafür sehr viel in Kauf nehmen. Oder wenn sich dein Hund in seiner Sicherheit bedroht fühlt, wird ihm deine Strafe egal sein. In solchen Fällen musst du die Strafe so hart wählen, dass sie in jedem Fall gegen das Tierschutzgesetz verstößt – und so sollte niemand mit seinem Hund umgehen!

Aber selbst wenn die Strafe nicht so hart erscheint, hat sie Nebenwirkungen.

Wenn du Frustration bei deinem Hund auslöst, entsteht dabei sofort ein hohes Erregungsniveau. Das ist keine angenehme Erregung und sie lässt deinen Hund schneller Aggressionsverhalten zeigen, wenn es dafür einen Auslöser gibt.

Dein Hund wird außerdem die Situation mit einer hohen Erregung verknüpfen und beim nächsten Mal in dieser Situation weiter weg von einem entspannten Hund sein als vorher.

Übersprungverhalten ist dann auch nicht weit, denn das entsteht bei Stress oder Frust, und ist uns meist auch nicht so lieb, denn Schuhe anfressen, sich exzessiv lecken, Steine fressen und Aufreiten mögen wir Menschen ja auch nicht. Zu viel Frust schadet auch der Lebensqualität und ist oft verantwortlich für das Auftreten von Zwangsverhalten und Stereotypien.

Durch Strafe wird dein Hund nicht kooperativ.

Wenn du nicht immer aufmerksam bist, wird dein Hund eine Lücke in deinem Strafsystem finden und diese nutzen, denn Strafe will er unbedingt vermeiden – seine Bedürfnisse befriedigen will er aber auch. Wenn du dich also schon mal gefragt hast, warum dein Hund immer stiften geht, wenn du draußen auf dein Smartphone starrst oder wenn du dich mit anderen Gassifreunden triffst, hat dein Hund gerade eine Lücke im System entdeckt. Oder hast du schon mal ein Kind gesehen, was in der Schule abschreibt, wenn die Lehrerin gerade zu ihm schaut?

Aggression kann ausgelöst werden!

Setzt du auf ängstigende Strafen kannst du auch Aggressionsverhalten bei deinem Hund auslösen, weil dein Hund sich selbst schützen möchte.

Auch wenn dein Hund “nur” Angst dabei hat, setzt du damit die Bindung zu deinem Hund aufs Spiel. Du als Bindungspartner*in und Mensch machst deinem Hund Angst und bringst ihn in einen unlösbaren Konflikt. Er möchte bei dir sein, aber in deiner Nähe ist es für ihn nicht sicher. Das klingt schrecklich – das ist es auch.

Angst kann ausgelöst werden!

Und auch wenn die Bindung augenscheinlich nicht leidet, versteht ein Hundegehirn niemals, dass es nur um sein Verhalten geht. Dein Hund kann alles, was einen Angstauslöser ankündigt, auch mit Angst verknüpfen. Deine Anwesenheit, Orte, andere Hunde, andere Menschen, Gerüche, Autos und so weiter können mit Angst verknüpft werden. Das kann passieren, aber es muss auch nicht passieren – nur niemand weiß, wann es passiert und selbst mit einem Warnsignal bist du vor dieser Nebenwirkung nicht in Sicherheit.

Gerade ängstliche Hunde, die sehr leicht zu hemmen sind, sind Meister im Verknüpfen und lernen schneller als du denkst, was einen Angstauslöser ankündigt.

Stress entsteht!

Du löst nicht nur Angst, sondern auch Stress und hohe Erregung aus. Wenn der Hund keine Chance hat, das Unangenehme abzustellen, wird die Situation für ihn unerträglich. Keine Möglichkeit zu haben, eine unangenehme Situation zu beenden, bedeutet einen immensen Kontrollverlust. Was im schlimmsten Fall auf Dauer zu einer erlernten Hilflosigkeit führt. Auch Zwangsverhalten und Stereotypien sind dann leider keine Seltenheit. Denn nur ein Verhalten zu hemmen und den Hund zu deckeln, löst nicht das Problem, was der Hund hat. Er hat nur so viel Angst, dass er sein Verhalten deinen Vorstellungen anpasst.

Der Einsatz von ängstigender Strafe schafft auf beiden Seiten Misstrauen, was niemals der Schlüssel zu einer harmonischen Beziehung sein kann.

Fazit

Strafe funktioniert – keine Frage, aber zu welchem Preis? Wenn du einen kooperativen Hund möchtest, der gute Erfahrungen in seiner Umwelt und mit dir macht, solltest du lieber auf positive Verstärkung setzen.

Wenn du strafst, musst du dich an folgende Regeln halten:

  • Der Hund muss schon ein Alternativverhalten erlernt haben.
  • Das Verhalten muss jedes Mal sofort bestraft werden.
  • Die Intensität der Strafe muss stimmen, um in Zukunft das Verhalten abzuschwächen oder abzustellen. Sie darf aber auch nicht so hart sein, dass dein Hund traumatisiert wird.
  • Strafe sollte mit einem Warnsignal angekündigt werden.

Wenn du es nicht schaffst, dich an die Regeln zu halten, steigt die Gefahr von Nebenwirkungen extrem. Fehlverknüpfungen sind das größte Problem. Dein Hund könnte Angst vor dir, dem Traininingsort, anderen anwesenden Hunden oder Menschen usw. bekommen, weil er die Angst vor der Strafe mit diesen Eindrücken verknüpft.

P.S. Mit Belohnungen zu trainieren, macht nicht nur mehr Spaß, sondern bringt dir mehr Erfolge.

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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