Vor zwei Jahren veröffentlichte ich den Artikel „Versager oder Guru“ – dieser Artikel wurde so oft geteilt, geliked und gelesen wie kaum ein anderer. Ich bekomme noch heute E-Mails und Nachrichten von euch zu diesem Artikel. Und mir ist es auch heute noch genauso wichtig, dass sich immer mehr Menschen bewusst darüber werden, was es bedeutet, wenn ein Hund einzieht – egal, ob schon ein Hund da ist oder nicht.
Wenn du meinen Artikel Versager oder Guru noch nicht kennst, dann findest du ihn hier:
Ulrike Seumel | Versager oder Guru
Mittlerweile hat sich sehr viel für mich geändert – aber mehr bei mir als in der Welt, in der ich lebe. Und schon seit ein paar Wochen wollte ich eine Fortsetzung schreiben.
Wir leben immer noch mit mehreren Hunden zusammen, aber…
Vor fast einem Jahr ist unsere Hündin Ami sehr plötzlich gestorben. Für Ascii und Paco ist es seitdem viel entspannter zu Hause, denn dank ihrer Schmerzen und ihrem oft schlechten Allgemeinbefinden war sie keine gute WG-Partnerin. Leider geht es Paco seit Mitte letzten Jahres immer schlechter.
Dank Schmerzmittel hat er zwar wieder Spaß, wenn wir unterwegs sind, aber mittlerweile gehen unserer Tierärztin und uns die Behandlungsideen aus. Die Zeit scheint langsam an ihm zu nagen und nach neun Jahren merken wir, dass er nie ein gesunder Hund war. Seitdem fällt es Paco unglaublich schwer, allein zu sein bzw. besser gesagt, ohne mich zu sein. Leicht war das für ihn noch nie, aber im Moment leidet er sehr. Unser Alltag besteht immer noch aus sehr viel Organisation und alles ist aufeinander abgestimmt. Und in den letzten Monaten waren wir noch öfter bei der Tierärzt*in als letztes Jahr… Oft werde ich bzw. wir gefragt, wie wir das alles schaffen.
Was hat sich verändert?
Vor zwei Jahren hatte ich mich in unsere Probleme festgebissen – ich war mit unserer Hundehaltung unglücklich und überfordert. So hatte ich mir das einfach alles nicht vorgestellt und wir haben viel probiert, aber einfacher wurde es für uns irgendwie trotzdem nicht.
Den Artikel vor zwei Jahren haben ich mit diesen Worten beendet:
“Nein, ich beende den Text nicht mit der Weisheit – wenn ich in die Augen meiner Hunde sehe, sind alle Anstrengungen vergessen. Mir geht das leider nicht so.”
Und jetzt weiß ich auch, warum das bei mir nicht funktioniert hat bzw. warum das bei mir nicht ging. Mit meinen Hunden hatte das rein gar nichts zu tun…
Was hat sich bei mir verändert?
Nachdem ich es leid war, mein Problem immer wieder in den Fokus zu rücken und darüber zu jammern, fing ich an, mich mehr mit meinen Gedanken und mir zu beschäftigen. An meinen Hunden und der Situation konnte ich nichts ändern, aber bei mir selbst schon. Außerdem sorgte ich besser für mich, um weiterhin gut belastbar zu sein. Ich schaffte mir mehr kurze Pausen während der Arbeit und sorgte für mehr Ruhe in meinem Kopf. Jede Benachrichtigung bei Facebook, meinem Handy und meinem Laptop wurde abgestellt – der Nicht-Stören-Modus ist seitdem mein bester Freund. Verpasst habe ich aber in den letzten Jahren trotzdem nichts. 😉
Der Durchbruch?
Ich fing an, viele Dinge auszuprobieren und strukturierte unseren Alltag noch etwas besser. Ein gutes Zeitmanagement ist toll, aber ohne Kraft und einen klaren Kopf bringt mir das trotzdem wenig. Mittlerweile gestehe ich mir ein, dass ich jeden Tag sieben bis acht Stunden Schlaf brauche.
Außerdem kam ich durch einen MBSR-Kurs zur Meditation und führe seit über einem halben Jahr ein Dankbarkeitstagebuch. Einen Durchbruch gab es eigentlich gar nicht, es war eine Entwicklung, die mich zu mehr Gelassenheit geführt hat. Und ich konnte den Kampf gegen mich selbst und meine vermeintlichen Probleme aufgeben.
Ulli 2.0, oder was?
Seit einigen Monaten nehme ich mir jeden Morgen Zeit für Meditation und mein Dankbarkeits-Tagebuch – und auch den Hunden gefällt das sehr. Denn die dürfen währenddessen neben mir im Bett unter der Decke weiterschlafen. Dafür stehe ich einfach eine halbe Stunde eher auf und achte darauf, auch früh genug ins Bett zu gehen.
An meinen Lebensumständen hat sich objektiv betrachtet nichts verändert – aber meine Perspektive darauf und meine Gedanken dazu sind ganz anders. Manchmal bekomme ich kurz Angst vor meinem eigenen Optimismus… 😀 Ich stehe jeden Tag mit der Frage auf, wofür ich dankbar bin und worauf ich mich freue. Und es ist kein Problem mehr für mich, darauf jeden Tag eine Antwort zu finden. Und hey, ich habe auch ab und zu schlechte Tage oder habe mal keine Lust und bin genervt.
Nur habe ich meinen Umgang mit Problemen verändert und übe mich täglich darin, das immer wieder so umzusetzen, denn in manchen Momenten fällt es mir auch mal schwer.
Ein Problem ist meine Chance auf eine Entwicklung und eine Chance für mich auf persönliches Wachstum. Und auch, wenn ich auf viele Probleme bereitwillig verzichten kann, finde ich dennoch immer etwas, was ich dank des Problems lernen oder gewinnen kann.
Ohne mein Hadern mit meiner Hundehaltung und unserem Leben hätte ich nie so viel Kontakt zu euch, meinen Leser*innen, bekommen und ich bin dadurch auch eine bessere Trainerin geworden. Ich habe gelernt, was mir bei Hundehaltung wichtig ist und was ich persönlich in dieser Phase meines Lebens brauche. Ich habe gelernt, dass ich mich entscheiden darf, ob ich mich weiter in meine Probleme treiben lasse oder ob ich sie als Geschenke betrachte und aus ihnen etwas mitnehmen kann. Und ich weiß, dass das leichter gesagt als getan ist. Vor zwei Jahren wären für mich solche Gedanken Quatsch gewesen und wenn mir jemand so einen Ratschlag gegeben hätte, hätte ich die Person mit großen und verwirrten Augen angestarrt.
Beginne noch heute!
Wenn du ab heute beginnen möchtest, dann überlege dir jeden Morgen, wofür du dankbar bist und worauf du dich heute freust. Erwarte keine große Wirkung, sondern halte es für mindestens einen Monat durch. Ich habe damit begonnen, weil ich zu einem Teil verzweifelt und zum anderen Teil neugierig war. Und mittlerweile hat sich für mich dadurch vielen geändert.
Im Hundetraining vermittle ich meinen Kund*innen Werkzeuge, wie sie in schwierigen Momenten ihre Hunde unterstützen und die Situation verbessern können – meine Dankbarkeits-Praxis und Meditation sind meine Werkzeuge, um Einfluss auf meine Gedanken und mein Wohlergehen zu nehmen. Und nur damit kann ich für meine Hunde da sein, meiner Berufung nachgehen und klar kommen.
Und dieser Umgang mit Problemen erleichtert mir auch das Training mit meinen Hunden:
Ich habe es geschafft, dass ich mich nicht mehr von Dingen von Außen ausbremsen lasse, sondern lieber selbst aktiv werde und dabei dem Leben und mir selbst vertraue. Das klingt pathetisch, aber dieser Gedanke hat mir geholfen.
Ein Fan von Mehrhundehaltung bin ich aber immer noch nicht. Mehrhundehaltung kann für Hund und Mensch eine tolle Sache sein, aber es liegt immer an dir und was du daraus machst. Deshalb weise ich hier nochmal auf ein sehr wichtiges Thema hin. Solltest du jemand kennen, der sich überlegt einen Hund bei sich aufzunehmen oder du selbst noch gar keinen Hund hast, dann lies dir bitte meine 6 Tipps vor der Anschaffung durch.
Du willst einen Hund adoptieren? – 6 Tipps VOR der Anschaffung
Diese Fortsetzung habe ich nicht geschrieben, um dir zu zeigen, wie cool ich bin. Ich weiß, dass es vielen anderen Hundehalter*innen so geht, wie es mir ergangen ist und wenn es dir auch so geht, dann wünsche ich dir von Herzen, dass du deinen Weg gehen und dankbar deine Probleme annehmen kannst.
Das Leben besteht aus mehr als nur Hundehaltung.
In diesem Sinne – genießt die schönen Momente mit, aber auch ohne eure Hunde.