Warum Schimpfen nur kurzfristig hilft und keinen langfristigen Erfolg bringt

von Ulrike Seumel

Dem Hund einfach mal sagen, was ich doof finde – das sollte doch erlaubt sein, oder? Da Hund und Mensch aber nicht dieselbe Sprache sprechen und auch in ganz unterschiedlichen Welten leben, ist das gar nicht so leicht. Denn wie soll mein Hund verstehen, dass ich es moralisch falsch finde, Wildtiere zu töten? Der Einsatz von Schimpfen oder anderen Strafmaßnahmen kann zwar kurzfristig seinen Zweck erfüllen, hat aber auch langfristig eine Wirkung auf den Hund.

Warum wir schimpfen

Gründe, warum wir schimpfen oder andere Dinge tun, um den Hund von etwas abzubringen, was uns gerade nicht gefällt, gibt es viele. Nicht nur der Punkt, dass der Hund in unseren Augen gerade Mist baut.

Gründe, warum eine Hundehalter*in schimpft

  • Sie oder er fühlt sich überfordert.
  • Sie oder er hat schlechte Laune.
  • Sie oder er ist unleidlich aufgrund von Krankheit, Schmerzen oder anderen Dingen.
  • Sie oder er hat ein hohes Stresspensum.
  • Sie oder er hat zu wenig oder schlechten Schlaf.

Hier könnte ich jetzt noch sehr viel mehr aufzählen. Nur selten schimpfen wir, weil wir gezielt Strafe im Training einsetzen wollen und uns vorab darüber Gedanken machen, ob wir alle Regeln einhalten, damit die Strafe in Zukunft auch das Verhalten des Hundes verändert.

Lesetipp: Was jede*r über Strafe im Hundetraining wissen sollte

Frage dich ganz ehrlich, warum du das letzte Mal mit deinem Hund geschimpft hast und welche Faktoren wie schlechte Laune oder ähnliches dafür gesorgt haben.

Mich selbst nervt es manchmal, wenn meine Hunde morgens kurz vor dem ersten Gassigehen im Flur etwas rumlaufen – und damit meine ich wirklich nur etwas. Da bin ich sehr empfindlich. Es nervt mich nicht immer, nur an manchen Tagen finde ich es doof. Mit ihnen zu schimpfen, wenn ich es doof finde und es sie an den anderen Tagen einfach machen zu lassen, ist für meine Hunde sehr verwirrend und sie wüssten nie, was Sache ist. Das würde meine Hunde sehr stressen, denn sie verstehen nicht, dass ich manchmal schlechte Laune habe und sie können sich auch nicht in mich reinfühlen und haben dann Verständnis für mein Verhalten. Und da es für sie schwer ist, mein Verhalten und mich einzuschätzen, wird es für sie sehr stressig.

Meine Lösung für dieses Problem ist, dass meine Hunde solange im Schlafzimmer bleiben, bis wir wirklich rausgehen und damit haben sie absolut kein Problem, denn sie liegen gern in ihren Betten. Und ich sorge dafür, dass ich täglich genügend Schlaf bekomme und starte meinen Morgen mit Dankbarkeits-Übungen und Meditation, damit ich gar keine schlechte Laune habe – denn daran sind nicht die Hunde Schuld.

Wenn ich jedes Mal mit meinen Hunden schimpfen würde, wenn sie morgens vor dem ersten Gassi gehen etwas hin- und herlaufen, würden sie sicher nach dem Schimpfen etwas weniger bewegen, aber auf lange Sicht würde sich nur unser Verhältnis verschlechtern und die Hunde hätten morgens sicher auch schon schlechte Laune.

Lesetipp: Warum Verhaltensunterbrecher so wichtig sind

Warum Schimpfen langfristig Probleme machen kann

Schimpfen, den Hund erschrecken durch Wasser, Schlüsselbund oder Ähnliches, hemmt deinen Hund kurz und unterbricht sein Verhalten – im ersten Moment unterlässt dein Hund im besten Fall das, was du nicht magst. Kurzfristig ist das für dich sehr angenehm und du fühlst dich besser, weil dein Hund die doofe Sache sein lässt.

Es fühlt sich für uns auch oft erleichternd an, weil wir in so einem Moment ärgerlich oder frustriert sind und etwas Dampf ablassen können.

Langfristig gedacht ist das oft nicht, denn in den meisten Fällen schimpfen wir dann, wenn es uns gerade nervt oder wir es gerade nicht aushalten, was der Hund macht.

Was lernt dein Hund, wenn du schimpfst

Langfristig lernt der Hund nur, dass du in so einer Situation eine Bedrohung für ihn sein kannst oder dass die anwesenden Hunde oder Menschen gefährlich sind oder dass er aufpassen muss, dass du nicht hinsiehst. Oder dein Hund bekommt vor den eingesetzten Gegenständen Angst – nutzt du immer den Schlüsselbund, um ihn nach deinem Hund zu werfen, wird dein Hund im schlimmsten Fall immer Angst bekommen, wenn dir der Schlüssel mal aus deiner Hand fällt oder wenn du einfach nur die Tür aufschließt und damit klapperst. So wünschst du dir sicher nicht den Alltag für einen Hund. Und durch solche erlernten Angstauslöser wird der Hund im Alltag immer mehr Ängste entwickeln.

Da mir öfter Dinge aus der Hand fallen und Paco sowieso schon sehr sensibel auf laute oder metallische Geräusche reagiert, wäre das für uns ein Super-Gau, wenn er plötzlich Angst vor dem Schlüssel hätte. Wenn mir etwas aus der Hand fällt, gibt es immer sofort eine Belohnung für die Hunde. Mittlerweile gucken sie mich sofort erwartungsvoll an, wenn etwas runterfällt.

Langfristig solltest du dafür sorgen, dass dein Hund

  • gute Erfahrungen mit und in der Nähe von anderen Hunden macht
  • dasselbe mit fremden Menschen und bekannten Menschen macht
  • sich sicher fühlt in seinem Zuhause und auf den Gassiwegen
  • dir und deinem Verhalten vertraut, damit du schwierige Situationen mit ihm meistern kannst

Überprüfe den Umgang und das Training immer darauf, ob es auch in Zukunft dafür sorgen wird, dass du das deinem Hund bieten kannst. Denn nur so kann er ein zuverlässiger und entspannter Begleiter in deinem Alltag werden.

Und für meinen Hund, der Wildtiere gern jagen und auch töten würde, heißt das: Ich trage die Verantwortung für sein Verhalten und ich habe mich für ein Lebewesen entschieden, was das Potenzial hat, andere Tiere zu verletzten und zu töten.

Deshalb sollte ich mit meinem Hund daran arbeiten,

  • dass er abrufbar ist.
  • dass er sich anleinen lässt.
  • dass er nicht die ganze Zeit im Unterholz unterwegs ist.
  • … .

Und ich sollte dafür sorgen, dass ich verantwortungsbewusst mit dieser Aufgabe umgehe. Ein Schimpfen oder ein Verbot gibt mir nämlich keine 100%ige-Sicherheit. Denn durch Schimpfen oder Strafe lernt dein Hund nicht, was er stattdessen tun soll. Er wird kein zuverlässiger Begleiter im Alltag werden, sondern lernt nur, dass du gruselig für ihn sein kannst.

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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