Gestern noch hatte Ascii nur tolle Hundebegegnungen und heute brüllt er aus dem Nichts einen anderen, 25 Meter entfernten Hund an, der uns noch nicht einmal ansieht. In meinem Kopf rattert es – was ist an diesem Hund anders, was hat der andere Hund gemacht und was hat Ascii jetzt? In den letzten Wochen lief es doch super mit Ascii bei Hundebegegnungen.
Wenn dir das bekannt vorkommt, dein Hund scheinbar Geister verbellt und du gar nicht weißt, warum er gerade aus der Reihe tanzt, weil kein Auslöser dafür zu finden ist, solltest du jetzt weiterlesen.
1. Unter der Oberfläche
Wenn Paco plötzlich im Wald ins Dickicht bellt und dabei wie ein Ziegenbock nach vorn springt, schaue ich mittlerweile kurz, ob ich etwas sehen kann und rufe ihn dann ab. Sehe ich nichts, rufe ich bei unserer Tierärztin an, sobald wir zuhause sind.
Wenn ein Hund plötzlich eine starke Verhaltensveränderung zeigt oder ohne Auslöser aggressiv, ängstlich oder auch sehr aufgeregt reagiert, stecken fast immer gesundheitliche Probleme dahinter. Die gesundheitlichen Probleme sind zu Beginn äußerlich nur an der Verhaltensveränderung erkennbar, denn dein Hund kann dir nicht sagen, wo es wehtut oder was ihn schlapp macht. Bei Paco steckten bisher immer Schmerzen dahinter und sobald diese durch eine gezielte osteopathische Behandlung behoben sind, ist das Bellen in den Wald wieder komplett verschwunden.
Der Auslöser für Pacos Bellen in den Wald ist wahrscheinlich der Geruch von Katzen oder Igeln. Zumindest konnte ich solche Beobachtungen schon machen. Nur ist dieser Auslöser für mich nicht wahrnehmbar, da ich weder Katzen noch Igel im Normalfall riechen kann. Und der Geruch wird bei Paco erst dann zum Auslöser für Bellen, wenn es ihm gesundheitlich schlecht geht. Ansonsten geht er schnüffeln, aber sein Erregungsniveau steigt nicht an – zumindest nicht aus meiner Sicht und es kommt niemals zum Bellen oder zum Springen wie ein Ziegenbock.
Gesundheitliche Probleme und Schmerzen lösen im schlimmsten Fall Dauerstress beim Hund aus, wenn der Hund nicht behandelt wird. Da Paco dann bei jedem Schritt, beim Aufstehen und auch beim Hinlegen Schmerzen hat, geht es ihm nicht gut und er ist gestresst. Er kann sich auch nicht selbst helfen, heilen oder sich den Schmerzen entziehen – somit hört der Stress auch nicht auf.
Stress sorgt immer für eine gesteigerte Reaktivität. Das bedeutet, dass ein Hund schneller auf Auslöser reagiert und auch, dass er plötzlich auf Dinge mit Angst- und/oder Aggressionsverhalten reagiert, die sonst gar kein Problem für ihn sind. Der Geruch von Katzen oder Igeln ist sonst kein Thema für Paco – er schnüffelt und gut. Hat er allerdings Schmerzen, geht er an die Decke, wenn er einen Igel oder eine Katze riecht.
2. Der Alltag deines Hundes
Länger andauernde, stressige Lebensbedingungen sorgen auch dafür, dass ein Hund schneller und/oder intensiver auf Auslöser reagiert. Wenn du nachts miserabel geschlafen hast, machst du auch aus einer Mücke einen Elefanten, oder? So geht es deinem Hund auch.
Plötzlich wird aus einer normalen Kleinigkeit ein Auslöser für Aggressionsverhalten.
Plötzlich sorgt das Auftauchen eines Hundes für Gebrüll, obwohl dein Hund andere Hunde normalerweise auf einer Entfernung von 20 Metern locker aushalten kann.
Training an Auslösern ist eine nette Sache, aber es sollte immer der Alltag des Hundes im Blick behalten werden. Jede kleine Optimierung, die möglich ist, sorgt dafür, dass dein Hund weniger aus der Reihe tanzt – weil er es jetzt kann. Ich hatte schon einige Fälle in meinem Trainerinnenalltag, bei denen die Probleme weg waren, nachdem wir im Alltag ein paar Stressoren rausgenommen und ihn etwas mehr an die Bedürfnisse des Hundes angepasst haben. Nur oft ist genau das sehr schwer, weil du als Hundehalter*in zu dicht an deinem Hund und an deinem Alltag dran bist.
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3. Was hat der Hund heute schon erlebt?
Auch stressige Situationen haben Einfluss auf deinen Hund und können seine Reaktivität steigern. “Das hat er ja noch nie gemacht – was ist denn jetzt mit dem los?” Wir Menschen denken immer, dass der Hund nach einer stressigen Situation gleich wieder normal ist, sobald er sich äußerlich beruhigt hat – aber im Gehirn und im Körper des Hundes passiert natürlich noch eine ganze Menge mehr. Bei uns selbst können wir das besser nachvollziehen, weil wir es schon gespürt haben und wissen, dass nicht sofort wieder alles gut ist und wir empfindlicher reagieren können. Deinem Hund geht es genauso – er kann sich dagegen auch nicht wehren. Und je mehr Schwierigkeiten dein Hund im Alltag hat, desto schneller kann es passieren, dass er plötzlich auf “Nichts” reagiert. Aber es ist nur für dich “Nichts”. Dein Hund fühlt sich dann bedroht oder hat Angst, weil sich die Situation für ihn so anfühlt.
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Es kann immer sein, dass ein Auslöser da ist und nur du als Mensch ihn nicht wahrnehmen kannst oder ihn übersehen hast – aber auch da spielt das Stresslevel deines Hundes immer eine Rolle.
Fazit
Wenn dein Hund manchmal aus dem Nichts reagiert oder plötzlich sehr intensiv auf Dinge, die ansonsten für ihn gar nicht problematisch sind, dann solltest du unbedingt
- Die Gesundheit deines Hundes im Blick behalten.
- Den Alltag deines Hundes auf Stressoren abchecken.
- Stressige Situationen im Blick behalten.
Je besser dein Hund schwierige Situationen allein oder mit deiner Hilfe bewältigen kann, umso weniger wird er auch als stressig bewerten. Und das kannst du im Alltag mit deinem Hund trainieren.