Warum es gefährlich sein kann, einen Hund zu locken

von Ulrike Seumel

Locken ist eine gute Sache und wenn sie gut eingesetzt wird, sehr hilfreich im Training. Du kannst damit bei vielen Hunden schnell Verhalten aufbauen oder sie unterstützen. Bei Hunden, die aber ein Problem mit fremden Menschen haben, kann vieles schiefgehen und ich habe schon ein paar Hunde kennengelernt, bei denen es gefährlich wurde.

Wann wird locken gefährlich?

Kurz gesagt – bei Hunden, die ängstlich oder aggressiv auf Menschen reagieren und bei Hunden, die bei Menschen oder Hunden in einen Konflikt kommen zwischen “Ich habe Interesse am Menschen” und “Ich finde den Menschen irgendwie gruselig oder doof”.

Ein Hund findet Menschen oder Hunde gruselig. Das kann sich zum Beispiel darin zeigen:

  • dass der Hund entweder lieber auf Abstand bleibt oder
  • dass er sich sehr aufregt oder
  • dass er bellt oder
  • dass er knurrt oder
  • dass er sogar schnappt oder beißt

Ein Hund ist in einem Konflikt bei Menschen oder Hunden.  Das kann sich zum Beispiel darin zeigen:

  • dass der Hund den Kontakt sucht, aber dann doch schnell wieder zurückweicht oder
  • dass er Übersprungverhalten, Konfliktsignale und/oder Stresssymptome zeigt oder
  • dass er generell eine sehr hohe Körperspannung hat, während er Kontakt aufnimmt oder
  • dass er sich ganz lang macht, um ranzukommen

So bringst du den Hund garantiert in eine schwierige Situation…

Nehmen wir jetzt als Beispiel einen Hund, der Menschen gruselig findet. Dieser Hund bleibt gern auf Abstand und geht freiwillig nicht zu fremden Menschen. Er schnüffelt lieber oder wartet.

Dieser Hund wird jetzt mit Hilfe von Futter oder einem anderen Lockgegenstand, das kann auch ein Ball sein, zu einem fremden Menschen gelockt. Zum Beispiel füttert der fremde Mensch den Hund immer aus der Hand oder du (also die Hundehalter*in) bringst ihn immer wieder über das Futter zu den fremden Menschen. Das ist ein Ratschlag im Hundetraining, den du überall finden kannst und der auch mir oft gegeben wurde. Erst mal ist das nett und klingt gut, denn der Hund macht ja eine gute Erfahrung: Gruselige Menschen geben leckeres Essen. Oder in gruseligen Situationen bekomme ich meinen Ball oder sogar mein ganzes Futter. In einigen Fällen geht das auch gut, ABER in manchen Fällen geht es schief und kann gefährlich werden.

Was passiert beim Locken, wenn der Hund ein Problem hat?

Eigentlich möchte dein Hund gar nicht in so eine Situation kommen. Dein Hund möchte so eine Situation vermeiden – das Locken bringt ihn aber direkt in eine für ihn schwierige Situation. Damit bringst du den Hund durch das Locken in einen Konflikt. Er kann etwas Tolles bekommen, wenn er sich in eine für ihn gruselige Situation bringt, in die er eigentlich nicht möchte. Dieser innere Konflikt sorgt für ein ansteigendes Erregungsniveau, weil der Hund sich entscheiden muss zwischen etwas Attraktivem und etwas Gruseligem. Gleichzeitig das Futter zu holen und sich nicht in die gruselige Situation zu begeben, geht nicht. Wenn du Angst vor Spinnen hast und diese dir ein Bonbon anbieten, wird das keine einfache Entscheidung – im schlimmsten Fall tötest du die arme Spinne und holst dir dann dein Bonbon. 😉 Bei deinem Hund sorgt so eine Entscheidung für einen Anstieg des Erregungsniveaus und des Stresslevels und dadurch kann Aggressionsverhalten schneller ausgelöst werden. Und es kann passieren, dass der Hund schneller eskaliert.

Lesetipp: Warum du Einfrieren bei deinem Hund erkennen musst

Locken bei Hunden, die aggressiv reagieren

Besonders bei Hunden, die aggressiv auf Menschen reagieren, ist es wichtig, dass sie lernen, Abstand zu halten, wenn ihnen alles zu viel wird. Und genau das lernt ein Hund durch Locken nicht. Er lernt, stattdessen auch noch eine doofe Situation aufzusuchen. Damit ist problematisches Verhalten aber vorprogrammiert. Deshalb setze ich im Training Locken niemals ein – bei Hunden, die Angst- oder Aggressionsverhalten zeigen gegenüber Menschen und Hunden. Und auch bei Hunden, die im Konflikt sind bei Begegnungen mit Menschen und Hunden lasse ich Locken weg.

Wie du es besser machen kannst.

Locken wird eingesetzt, um dem Hund zu zeigen, dass Menschen nett sein können – aber um Emotionen zu verbessern, musst du nicht mit Locken arbeiten.

Du kannst gutes Verhalten in solchen Situationen einfach belohnen und auch dabei wird dein Hund mit den anwesenden Menschen oder Hunden etwas Gutes verknüpfen – auch wenn er das Futter nicht bei ihnen bekommt. Hunde lernen im Kontext, deshalb speichern sie viel mehr ab als wir manchmal glauben.

Nutze ein positives Markersignal!

Noch einfacher wird es, wenn du mit einem positiven Markersignal arbeitest.

Mit einem Markersignal löst du mehr gute Emotionen aus und kannst gezielter damit arbeiten. Mit einem Markersignal kannst du es einfangen, wenn dein Hund sich von dem Menschen abwendet, aber auch, wenn er freundlich einen Schritt in seine Richtung geht.

Lesetipp: Der Grund, warum du mit Markersignalen besser trainierst

So arbeite ich ohne Locken bei Aggressionsverhalten

In meinem Webinar “Bitte recht freundlich!” erkläre ich genau,wie ich das bei meinem Hund Ascii gemacht habe und wie ich es meinen Kund*innen beibringe. Bei Ascii habe ich jedes freundliche Verhalten gegenüber Menschen mit dem Markersignal eingefangen und ihn dann von den Menschen wegbelohnt, d. h., das Futter oder das Spiel gab es immer nach dem Markersignal einige Schritte von dem Menschen entfernt. So hat Ascii gelernt, wegzugehen und nach vielen, vielen Wiederholungen – bei denen er sich sicher gefühlt hat -, dass er gute Erfahrungen mit fremden Menschen macht. Dadurch konnte er immer mehr Kontakt zu fremden Menschen aufnehmen und freut sich mittlerweile über Besuch. Wenn ihm aber alles zu viel oder die Situation zu eng wird, geht er lieber weg und kommt zu uns. Eine großartige Entwicklung, denn früher hat er sich für Schnappen und Beißen entschieden.

Lesetipp: Wie du das Aggressionsverhalten deines Hundes veränderst

Was, wenn die anderen Menschen gern Futter geben wollen?

Manche Menschen werden deinen Hund aber füttern wollen, weil sie es gut meinen. Ihnen das zu verbieten, wird schwer. Es ist deine Entscheidung, ob du es generell zulässt.

Wenn es für dich okay ist, dass andere Menschen, zum Beispiel Menschen aus deiner Familie, deinen Hund füttern bzw. mit ihm interagieren, dann kannst du es so umsetzen: Sie sollen das Futter einfach von sich wegwerfen, wenn der Hund sie ansieht. Der Hund soll erst gar nicht zu ihnen kommen. Das Futter wird von ihnen weggeworfen, wenn der Hund sie anschaut. Und es wird so geworfen, dass der Hund nicht an ihnen vorbei rennen muss.

Du musst es ab jetzt nicht jedem Menschen verbieten, leite sie lieber so an, dass sie dem Hund das Futter geben dürfen. Wir Menschen fühlen uns einfach gut, wenn wir Tiere füttern. Und trotzdem kommt dein Hund nicht in einen Konflikt.

Fazit

Locken eignet sich gut, um in entspannten und sicheren Situationen mit deinem Hund bestimmte Verhaltensweisen aufzubauen. Aber bei Hunden, die ein Problem mit Menschen oder Hunden haben, kannst du darauf verzichten, um deinen Hund nicht noch mehr in einen Konflikt zu bringen. Zeige deinem Hund lieber, dass er weggehen kann, wenn es ihm zu viel wird und sorge durch den Einsatz eines Markersignals und passenden Belohnungen am richtigen Ort für positive und angenehme Verknüpfungen bei deinem Hund.

PS: Bei Angst- und Aggressionsverhalten kann dich eine gute Trainer*in unterstützen! Hier findest du mehr zu unserem Training: dogitright.de

Endlich Gassi gehen ohne Gebell – 3 Tricks, mit denen ihr sofort stressfrei an anderen Hunden vorbei kommt.

Für 0 €.

Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

Video-Training Hunde lesen lernen

Du lernst im Video-Training unsere Techniken, um die Körpersprache von Hunden schnell zu entschlüsseln – egal, um welchen Hundetyp oder Hunderasse es sich handelt.

Marker-Training für Hunde: Auf Augenhöhe zum glücklichen und kooperativen Hund


Markertraining vereint den wertschätzenden Umgang mit Hunden und ein durchdachtes Hundetraining. Du erfährst, wie die Arbeit mit Markersignalen funktioniert und wie man sie im Alltag mit Hunden anwendet. Schwerpunkt des Trainings ist es, das tolle Verhalten des Hundes zu fördern und unerwünschtes Verhalten nachhaltig zu verändern – alles ohne Schreckreize und Druck.

Überall, wo es Bücher gibt.

Verpasse keine neuen Artikel mehr!

Trag dich jetzt in unseren Newsletter ein:

Du erklärst dich damit einverstanden, dass wir deinen Vornamen und deine E-Mail-Adresse speichern, um dir unseren kostenlosen Newsletter per E-Mail zusenden zu können. In jeder E-Mail, die du von uns erhältst, findest du einen Link, mit dem du dich sofort austragen und deine Daten dauerhaft löschen kannst. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung!

>