Warum du Einfrieren bei deinem Hund erkennen musst

von Ulrike Seumel

Nein, hier geht es nicht um eisige Temperaturen, sondern um einen Hund, der plötzlich kurz erstarrt. Dieses Verhalten findest du bei allen Hunden – vollkommen egal, wie der Hund aussieht oder gebaut ist. Mit ein wenig Übung kannst du es auch bei jedem Hund erkennen, selbst wenn du außer Fell nichts mehr siehst.

Doch warum frieren Hunde überhaupt ein?

Wenn dein Hund einfriert, befindet er sich in einem Konflikt. Das Einfrieren bei Hunden ist damit eine Konfliktreaktion. Wenn du das erkennst, kannst du viele Probleme im Alltag vermeiden und schnellere Trainingserfolge erzielen, weil du nicht mehr darauf wartest, dass es doch knallt.

Hilfe, mein Hund hat einen Konflikt.

Bei einem Motivationskonflikt hat das Gehirn des Hundes noch keine Entscheidung getroffen. Es schwankt zwischen zwei Verhaltensreaktionen, die nicht gleichzeitig möglich sind. Der Hund befindet sich, wie der Name es schon sagt, zwischen zwei gegensätzlichen Motivationen.
Motivationskonflikte kannst du in verschiedene Typen unterteilen.

1. Vermeidung – Attraktion (Konflikt zwischen Vermeiden – Anziehen)

Dein Hund findet einen fremden Hund bedrohlich und will wegrennen, aber gleichzeitig auch interessant, weil es z. B. eine gut riechende Hündin ist und er gern Kontakt aufnehmen würde. Beides gleichzeitig kann er nicht tun.

Oder dein Hund findet fremde Menschen generell gruselig, aber sie locken ihn mit leckerer Leberwurst zu sich. Der Hund befindet sich in einem Konflikt – lieber Abstand halten von der Bedrohung oder doch die gut riechende Leberwurst holen.

2. Attraktion – Attraktion (Konflikt zwischen zwei anziehenden Optionen)

Dein Hund muss sich entscheiden zwischen Kontakt und Spiel mit dir und Kontakt und Spiel mit einem tollen Artgenossen.

Dieser Konflikt ist am wenigsten belastend für deinen Hund, weil er sich “nur” zwischen zwei tollen Optionen entscheiden muss. Deshalb wird dieser Konflikt oft als Speisekartenkonflikt bezeichnet. Du musst dich entscheiden, ob du heute lieber Sushi oder Pizza bestellst. (Und ja, manche sind damit sehr überfordert und fühlen sich nicht gut. Es ist ein Luxusproblem, aber es bleibt ein Konflikt.)

3. Vermeidung – Vermeidung (Konflikt zwischen Vermeiden – Vermeiden)

Der schwerwiegendste Konflikt für einen Hund ist die Wahl zwischen zwei schlimmen Dingen. Egal, wie der Hund sich entscheidet – es wird ihm schlecht gehen. Und wenn du dir das für dich selbst vorstellst, wirst du sofort spüren, wie schrecklich sich das anfühlt.

Wenn dein Hund zum Beispiel gelernt hat, dass du ihn an der Leine ruckst und damit weh tust, wenn er zieht und er aber aus einer für ihn bedrohlichen Situation wegkommen möchte. Er kann sich nur entscheiden zwischen weglaufen und dann an der Leine geruckt werden oder in der bedrohlichen Situation bleiben und weiterhin Angst haben.

Unlösbare und schwere Konflikte steigern immer das Erregungsniveau des Hundes. Und dein Hund kann in diesem Moment auch Angst- und Aggressionsverhalten zeigen. Außerdem können unlösbare und schwere Konflikte Stereotypien und/oder Zwangsverhalten bei Hunden auslösen.

Unlösbare und schwere Konflikte sollten nicht durch dein Handeln und deine Erziehung beim Hund entstehen, denn sie belasten ihn stark und führen zu massivem Stress, der das Verhalten deines Hundes und auch seine Gesundheit beeinträchtigt.

Konflikte sind immer anstrengend

Konflikte sind anstrengend und sie stressen, wenn der Hund keine Lösung findetaber du kannst deinem Hund bei kleinen Konflikten die Chance geben, Strategien zu finden. Dabei kannst du ihn beobachten und unterstützen, wenn es nötig ist.

Denn kleinere Konflikte, die der Hund lösen kann, gehören zum Leben dazu und sind vollkommen normal. Nur du musst erkennen, ob es sich um kleine Konflikte handelt und ob alles in Butter ist.

Es gibt nicht nur Motivationskonflikte…

Es gibt aber nicht nur Motivationskonflikte bei Hunden, sondern auch Interessenkonflikte.

Interessenkonflikte findest du unter der Bezeichnung „interaktive Konflikte“. Sie sind oft mit Motivationskonflikten verbunden.

Beim Hund finden wir diese Form von Konflikten, wenn es um Ressourcen geht. Das kann alles sein, was deinem Hund wichtig ist.

Paco und Ascii ist zum Beispiel unsere Hündin Ami wichtig – sie mögen keine unkastrierten Rüden in ihrer Nähe, wenn Ami dabei ist. Die Hündin ist dabei für sie eine wichtige Ressource, selbst wenn sie nervt. 😉 Und schon stecken Paco und Ascii in einem Interessenkonflikt mit einem Artgenossen. Interessenkonflikte können aber auch mit anderen Tierarten (z.B. einer Katze im Haushalt) oder Menschen entstehen.

Wenn du deinen Hund daran hinderst, seine Bedürfnisse zu befriedigen, indem du ihn dabei einschränkst, löst du auch einen Interessenkonflikt bei deinem Hund aus. Bei Paco wäre das, den Ball einzustecken, mit dem er gerade gespielt hat. Bei Ami ist es eine Schleppleine, die sie daran hindert Wildschweine zu jagen und bei Ascii sind es eine Leine und ein langsamer Mensch, die ihn daran hindern, 12km/h zu laufen – seine Wohlfühlgeschwindigkeit.

Du denkst dir jetzt sicher: „Aber ich muss ja Bälle einpacken, kann den Hund keine Wildschweine jagen lassen und ich kann auch nicht immer und überall mit einem Tempo von 12km/h unterwegs sein.“ Ja, da hast du vollkommen recht. Da setzt Training an und das WIE spielt da wieder eine entscheidende Rolle.

Deine Aufgabe

Wichtig ist, dass du Konfliktreaktionen bei deinem Hund erkennst und seine Körpersprache deuten kannst. Erst dann kannst du dein Handeln und dein Training anpassen, damit dein Hund Strategien lernt, die du gut findest und du weißt, was dein Hund braucht, damit es ihm gut geht.

Damit es deinem Hund gut geht, solltest du Möglichkeiten schaffen, in denen dein Hund seine Bedürfnisse ausleben kann, ohne anderen, dir oder sich selbst zu schaden. Am einfachsten ist das mit passenden Belohnungen für erwünschtes Verhalten.

Lesetipp: Wie du lernst, die Bedürfnisse deines Hundes zu nutzen und nicht gegen sie zu kämpfen

Solltest du etwas tun, wenn dein Hund einfriert?

Ja, auf jeden Fall! Erst mal solltest du die Lage überblicken und einschätzen, worum es gerade geht. Ist es nur ein kleiner Konflikt und dein Hund muss sich zwischen zwei tollen Optionen entscheiden, beobachtest du ihn und freust dich, wenn er sich entschieden hat. Seine Entscheidung kannst du mit einem ruhigen und freundlichen stimmlichen Lob begleiten.

Solltest du feststellen, dass Angst und Aggression mitmischt (und ja, dafür musst du wieder die Körpersprache deines Hundes einschätzen können), solltest du aktiv werden. Denn ob die Entscheidung deines Hundes so ausfällt, wie dir das passt, weißt du nicht.

Außerdem trägst du als Hundehalter*in die Verantwortung für deinen Hund und er sollte niemanden gefährden, auch nicht sich selbst.

Wählt dein Hund die Strategie Aggressionsverhalten solltest du ihn so schnell wie möglich freundlich unterbrechen. Wenn du das noch nicht kannst, ist es umso wichtiger, dass du sein Verhalten im Vorfeld erkennst und deinen Hund sicherst durch eine Leine und ggf. einen Maulkorb.

In der Zukunft solltest du auf ähnliche Situationen ein Auge haben und die Entwicklung deines Hundes beobachten.

Was du tun kannst, wenn dein Hund einfriert

Wenn du nicht willst, dass dein Hund eine falsche Entscheidung trifft, dann versorge sein Gehirn mit Informationen und gib ihm immer eine Rückmeldung, wenn er ein Verhalten zeigt, was du gut findest. Am besten durch ein positives Markersignal und eine passende Belohnung, damit er sich immer öfter “richtig” entscheidet.

Lesetipp: Der Grund, warum du mit Markersignalen besser trainierst

Welche Informationen du deinem Hund geben kannst

Du könntest deinen Hund anbrüllen oder mit der Leine bewerfen, um ihn zu erschrecken. Schreckreize sind generell nicht mein Ding, aber in so einem Moment absolut gefährlich, denn sie lösen in so einem Moment viel zu oft Aggressionsverhalten aus. Du bringst damit das Pulverfass erst recht zum explodieren.

Und oft ziehst du in diesem Moment einen fremden Hund mit rein und das ist wirklich unfair.

Generell kannst du jedes trainierte Verhalten abfragen, was dein Hund kann. Sitz, Platz, Rückruf,…. egal, was. Es muss nur so trainiert sein, dass dein Hund auch unter der gegebenen Ablenkung das Verhalten zeigen kann und es sollte passen. Wenn du einen Minihund zu Hause hast und der gerade eine Dogge begrüßt, wäre ein Rückruf nicht so passend, weil viele kleine Hunde nicht schnell wegrennen möchte, wenn ein großer Hund in ihrer Nähe ist.

Markersignal

Auch dein Markersignal kannst du in diesem Moment nutzen. Erstmal macht dein Hund noch nichts falsch, er steckt im Entscheidungsprozess und flippt noch nicht aus, rennt weg oder klaut dein Brötchen. Und dein Markersignal schafft eine gute Stimmung und gute Stimmung kann man in einem angespannten Moment immer gut gebrauchen.

Achtung! – laute Clicker können deinen Hund auch erschrecken! Das muss nicht passieren, aber ein Markerwort eignet sich oft besser. Dein Hund muss es natürlich vorher schon kennengelernt haben. 😉

Geräusche, die mit guten Emotionen und einer guten Erwartungshaltung verknüpft sind, eignen sich, wie das Markersignal, perfekt.

Das Rascheln der Leckerlietüte, die Ankündigung, dass gleich der Ball rausgeholt wird, ein nettes Wort… Das alles sind Geräusche, die schon vorher immer wieder mit guten Ereignissen verknüpft wurden und diese zuverlässig vorhersagen. Auch das schafft eine gute Stimmung, da diese Geräusche genau wie das Markersignal mit guten Emotionen verknüpft sind.

Und wenn du mit der Leckerlietüte geraschelt hast, musst du ja auch kein Leckerlie rausholen, wenn das gerade nicht passt – sondern du nutzt das Geräusch ausnahmsweise, um gute Stimmung zu schaffen und im besten Fall die Aufmerksamkeit deines Hundes zu bekommen. So vermeidest du Schreckreize und dein Hund hat die Idee, seine Aufmerksamkeit auf dich zu richten. Danach kannst du einfacher ein anderes Verhalten abfragen, wie Sitz, Weiter, Rückruf und Co.

Auch ein Entspannungswort plus ein passendes Alternativverhalten kann eingesetzt werden.

Lesetipp: Wie du Entspannungssignale bei deinem Hund aufbauen kannst

Fazit

Einfrieren bei deinem Hund zeigt, dass er sich in einem Konflikt befindet. Du kannst lernen zu erkennen, wann ein Hund einfriert – egal, wie der Hund aussieht.

Konflikte sind nicht generell ein Problem. Sie gehören zum Leben dazu und dein Hund sollte die Gelegenheit haben, Strategien für kleine Konflikte zu finden.

Es gibt zwei verschiedene Arten von Konflikten:

  • Motivationskonflikte
  • Interessenkonflikte

Sie treten auch gemischt auf.

Du solltest ein Auge auf deinen Hund haben und durch seine Körpersprache einschätzen können, ob du aktiv werden musst.

Wenn dein Hund einfriert, kannst du verschiedene Signale einsetzen:

  • Verhalten abfragen – Sitz, Platz, Weiter, Fingertouch, Fußtouch, Rückruf….
  • positives Markersignal
  • Geräusche, die mit positiven Emotionen verknüpft sind und gute Dinge zuverlässig vorhersagen (Rascheln der Leckerli-Tüte, Ankündigung für Spielzeuge, …)
  • Entspannungssignal plus Alternativverhalten

Auf was du unbedingt verzichten musst, wenn dein Hund einfriert

  • Alles, was deinen Hund erschreckt, ihn stresst oder Angst macht.

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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