Warum jeder Hund einen Maulkorb lieben sollte

von Ulrike Seumel

Du gehst mit deinem Hund spazieren und euch kommt ein großer, schwarzer Hund mit Maulkorb an der Leine entgegen. Die Besitzerin weicht mit ihm ein wenig aus und dein Herz schlägt schneller, als du mit deinem Hund an den beiden vorbeigehst. Du denkst dir, “Puh, der ist bestimmt gefährlich. Zum Glück braucht mein Hund keinen Maulkorb.”

Wenn mir dieses Hund-Mensch-Team begegnen würde, würde ich mich über eine verantwortungsbewusste Hundehalterin freuen, die ihren Hund und andere schützt. Wer weiß, wofür der Hund den Maulkorb braucht? Vielleicht hatte er eine OP und hat Schmerzen, so dass er sich bei unerwünschtem Kontakt im Zweifelsfall mit seinen Zähnen Platz verschaffen würde. Vielleicht gibt es gerade eine Giftköderwarnung im Gebiet. Vielleicht macht er gerade eine Ausschlussdiät und darf keinesfalls etwas vom Boden aufnehmen. Vielleicht trainiert die Halterin das Tragen des Maulkorbes mit ihm für den Fall, dass sie es mal brauchen. Du siehst, die Gründe können vielfältig sein.

“Zum Glück braucht mein Hund keinen Maulkorb!”

Das kann sich ändern! Dein Hund mag alles und jeden? Hunde, Katzen, Kinder und sogar die Tierärztin? Herzlichen Glückwunsch! Dann ist dies für deinen Hund und dich eine tolle Basis für ein langes, entspanntes Leben. Aber bedenke bitte dennoch, in welchen Situationen ein Maulkorb für deinen Hund nötig sein könnte:

  • wenn er Schmerzen hat
  • bei Giftköderwarnung
  • in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Ausland
  • bei Tierarztbehandlungen
  • durch gesetzliche Verordnungen

Und glaub mir, auch wenn dein Hund die Tierärztin bisher noch toll fand, weil es zur Spritze immer eine große Ladung Leberwurst dazugibt, wird er bei größeren Eingriffen ganz schnell misstrauisch.

Ohne Maulkorb alles doof!

Stell dir vor, dein Hund braucht schnelle medizinische Hilfe, weil er eine Verletzung hat. Er hat so starke Schmerzen, dass er bei der kleinsten Bewegung in Richtung Wunde anfängt zu knurren. Nun hast du drei Möglichkeiten:

  1. Du hältst deinen Hund am Kopf fest, während die Tierärztin untersucht. Somit hat dein Hund nicht nur Schmerzen an der Wunde, sondern auch noch Panik, weil sein Kopf eingeklemmt wird.
  2. Du ziehst deinem Hund den Maulkorb über, obwohl er es nicht kennt oder diesen doof findet. Nun hat er nicht nur Schmerzen an der Wunde, sondern auch noch ein unangenehmes Teil auf der Nase, was sich grausam anfühlt.
  3. Du ziehst deinem Hund den Maulkorb über, so wie ihr es schon oft geübt habt. Er weiß, dass es immer die feinsten Leckerli, das liebevollste Lob und die besten Streicheleinheiten gibt, wenn der Maulkorb auf der Nase ist. Nun hat er zwar Schmerzen an der Wunde, aber eine positive Erwartungshaltung auf die Leckerli, die durch den Maulkorb gesteckt werden. Und was viel wichtiger ist: Dein Hund kennt den Ablauf mit dem Maulkorb aus einem entspannten und sicheren Training mit dir. Diese Sicherheit hilft ihm vielleicht sogar die schmerzhafte Behandlung besser zu überstehen.

Natürlich ist die dritte Option für deinen Hund, dich und die Tierärztin sowie der Helfer*innen die entspannteste. Ich behaupte nicht, dass der Hund dann auf wundersame Weise alles freudig über sich ergehen lässt. Aber die Anspannung wäre für ihn viel angenehmer und er kann den Arzttermin stressfreier genießen. Denn Option 1 und 2 bedeuten Stress für deinen Hund. Und Stress solltest du größtmöglich vermeiden.

Lesetipp: 3 Dinge, an denen du Stress bei deinem Hund erkennst

“Mein Hund kann seinen Maulkorb einfach nicht leiden.”

Wenn dein Hund sich seinen Maulkorb nicht gern aufsetzen lässt, hat er die Erfahrung gemacht, dass der Maulkorb etwas Unangenehmes ist. Ich kann ihn verstehen. Viele Maulkörbe drücken unangenehm auf der Schnauze, sitzen nicht richtig oder sind aus hartem Material. Dann werden sie einfach aufgesetzt und der Hund hat dieses gruselige Teil vor dem Gesicht und weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Kein Platz zum Hecheln und Trinken. Schlussendlich kommt das Ding nur in den stressigsten Situationen zum Einsatz: Beim Tierarzt und in der engen Bahn. Da kann der Hund sich ja nur schaudern.

Jedoch ist NICHTS verloren! Du kannst deinem Hund ab heute zeigen, wie toll und angenehm der Maulkorb sein kann! Lass dich von gescheiterten Versuchen nicht entmutigen, sondern setze euch beide auf Erfolgskurs, indem du aus dem Maulkorbtraining ein Spiel machst! Das bringt euchen beiden Spaß und Freude. Wie du dabei genau vorgehst, erfährst du in unserem nächsten Artikel.

So verhinderst du, dass der Maulkorb falsch sitzt.

Es gibt Maulkörbe aus verschiedenen Materialien und in verschiedenen Formen. Ich möchte dich an dieser Stelle bitten, deinem Hund keinen Schlaufen-Maulkorb aufzusetzen. Solche Maulschlaufen sehen nett aus, weil es vermeintlich nur ein Stück Stoff ist, das angelegt wird. Allerdings verschließt es die Schnauze und verhindert jegliches Hecheln. Dein Hund kann schnell überhitzen und das kann lebensgefährlich sein! Auch von einem Maulkorb aus Metall möchte ich dir abraten. Aufgrund seiner Starrheit und seines Gewichts sitzt er oft unangenehm auf der Schnauze auf.

Ein Maulkorb sollte auf jeden Fall genug Platz zum Hecheln, Trinken und Kauen haben. Dafür sehr gut geeignetes, flexibles Material ist BioThane (weich und griffig). Der Maulkorb sollte auch nach vorn hin genug Spielraum bieten, damit kein Druck auf die empfindliche Nase ausgeübt wird.

Dein Hund empfiehlt: Vorn müssen viele Leckerli reinpassen

Ich stimme deinem Hund zu. Viele Hunde mögen Futterbelohnungen und Leckerli bieten dir die Möglichkeit das Maulkorbtraining besonders schmackhaft zu machen. Wähle den Maulkorb also so aus, dass du durch die Öffnungen Leckerli durchstecken kannst und dass dein Hund diese entspannt kauen kann. Wenn du deinen Maulkorb zum Schutz vor Giftködern nutzen willst, dann gibt es bei vielen Hersteller*innen passende Einsätze für den Maulkorb, um das Aufnehmen von Futter am Boden zu verhindern.

Lesetipp: 9 Dinge, die du über positive Verstärkung wissen musst

Lass deinen Hund nie mit dem Maulkorb allein!

Auch wenn dein Hund den Maulkorb entspannt trägt, lass ihn bitte nicht damit allein. Falls er sich übergeben muss, könnte der Maulkorb lebensgefährlich werden. Außerdem könnte es doch passieren, dass er versucht sich den Maulkorb abzustreifen. Dabei könnte er sich ungünstig verfangen. Also: Bitte nur unter Aufsicht!

Sicherheit durch einen Maulkorb

Lass deinen Hund bitte auch im übertragenen Sinne nicht allein. Wenn der Hund nach Hunden oder Menschen schnappt, kann ein Maulkorb dies verhindern. Schnappen oder Beißen ist allerdings immer ein Zeichen dafür, dass deinem Hund Handlungsalternativen fehlen. Wenn er Angst hat oder gelernt hat, nach vorn zu gehen, behandelt der Maulkorb nur das Symptom (Schnappen) und das eigentliche Problem bleibt bestehen. Er braucht Handlungsalternativen! Du kannst ihm zeigen, dass es sich lohnt, wenn er weggeht statt zu schnappen. Bringst du ihn aber mit Maulkorb in eine Situation, in der er seine übliche Strategie nicht durchführen kann, ist er hilflos und seine Angst wird von Mal zu Mal schlimmer.

Wenn dein Hund Aggressionsverhalten zeigt, kann ein Maulkorb übergangsweise eine Notfallabsicherung sein. Er ist in diesem Fall ein Trainingsbegleiter, während dein Hund lernt, wie er schwierige Situationen meistern kann. Geh auch mit Maulkorb immer nur soweit, wie du auch ohne gehen würdest! Stell dir bei jeder Begegnung vor, der Maulkorb wäre nicht da. Wie weit würdest du ohne Maulkorb gehen? Dein Hund kann nur nachhaltig lernen, wenn er noch ansprechbar ist. Das wäre nicht der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass er beißt.

Auch Jagen solltest du deinem Hund weder ohne noch mit Maulkorb erlauben. Er kann andere Tiere dann zwar mit Maulkorb nicht packen, aber Hetzen ist für Wildtiere auch sehr stressig und kann lebensgefährlich werden. Zudem ist es gesetzlich verboten.

Wenn du einem Hund mit Maulkorb begegnest…

…sei so nett und geh erstmal auf Abstand; nicht, weil er ein gefährlicher Beißer ist, sondern weil du nicht wissen kannst, wofür er den Maulkorb braucht. Lass deinen Hund nicht einfach hinlaufen. Aus ein paar Metern Entfernung kannst du die Halter*in fragen, ob Kontakt gewünscht ist. Es gibt durchaus Hunde, die mit ihrem Maulkorb Kontakt zu anderen Hunden haben können. In solch einem Fall sollten die Hunde in ihrem Kontakt unterstützt werden, da der Maulkorb die Kommunikation einschränkt.

Lesetipp: 3 Dinge, die Hundebegegnungen unnötig schwer machen

Zeit für einen neuen Maulkorb?

Wenn du jetzt bemerkt hast, dass der Maulkorb deines Hundes nicht richtig passt, dass er die Kriterien nicht erfüllt oder dass dein Hund diesen Maulkorb schon mit viel Stress verknüpft hat, solltest du über einen neuen Maulkorb nachdenken.

In dieser Facebook-Gruppe findest du viele Infos zu Maulkörben und kannst dich beraten lassen.

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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