3 Situationen, in denen du positive Verstärkung vermeiden solltest

von Ulrike Seumel

Würdest du mir zustimmen, dass positive Verstärkung die perfekte Trainingsmethode ist? Wenn deine Antwort “Ja!” lautet, dann weißt du bereits, dass Training mit Hunden erfolgreich ist, wenn die Bedürfnisse des Hundes im Mittelpunkt stehen und sinnvoll als Belohnungsmöglichkeiten eingesetzt werden. Aber spätestens, wenn dein Hund das Leckerli verschmäht, weil ein anderer Hund, ein Reh oder die gruselige Jogger*in gerade wichtiger sind, wird dir klar, dass Bedürfnisse, positive Verstärkung und Belohnungen nicht immer so funktionieren, wie du dir das in dem Moment gerade wünschst.

Wenn dein Hund gern bellt, jagt, am Tisch bettelt oder du einfach gerade im Training feststeckst, dann mach dir jetzt einen Tee und lass dich von mir in die Welt der positiven Verstärkung entführen. Hier gibt es viel Schönes zu entdecken, aber heute soll es um die Momente gehen, in denen dir die positive Verstärkung dein Training versaut.

1. Situation: Selbstbelohnendes Verhalten

…oder anders formuliert: Die Hobbys deines Hundes. Schnüffeln, Buddeln, Markieren, Jagen, Spielen gehören zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler Hunde. Sie tun es gern und oft und müssen nicht dazu aufgefordert werden. Wenn sich ein Verhalten für deinen Hund gut anfühlt, dann ist das ein selbstbelohnendes Verhalten. Er tut diese Dinge nicht, um an eine extra Belohnung zu kommen, sondern weil diese Sachen selbst bereits als Belohnung wirken.

Lesetipp: Wie du lernst, die Bedürfnisse deines Hundes zu nutzen und nicht gegen sie zu kämpfen 

Trainingsbeispiel: Häufiges Bellen

Wenn dein Hund oft bellt, dann tut er es, weil es sich in dem Moment für ihn gut anfühlt oder ihm hilft. Wenn sein Erregungslevel steigt, kann das Bellen ihm aber auch Erleichterung verschaffen, indem er wortwörtlich den Frust rauslässt. Er bellt nicht aus Trotz, sondern weil er in dem Moment nicht weiß, wie er seiner Anspannung anders Luft machen kann und weil es ihm gut tut. Bellt er bei der Sichtung anderer Hunde und Menschen und hat gelernt, dass diese danach verschwinden, speichert dein Hund Bellen als nützliche Strategie ab. Dein Hund lernt also, “Wenn ich belle, bekomme ich die Distanz zu den gruseligen Menschen und Hunden, die ich brauche.” Er wird in diesem Fall die Strategie Bellen immer öfter einsetzen.

Bellen muss nicht sein (darf aber)

Wenn dein Hund ab und zu über sein Bellen mit dir kommuniziert und dich das nicht stört, dann ist das vollkommen okay. Bellt er jedoch mehrmals täglich und über einen längeren Zeitraum, solltest du genau hinschauen, wodurch das Bellen ausgelöst wird. Es kann ein Zeichen von Stress sein. Dann braucht dein Hund deine Hilfe! Beobachte, was vor dem Bellen passiert, wie die Körpersprache deines Hundes währenddessen ist und was danach geschieht. Biete ihm eine Alternative an, die in dem Moment das Bedürfnis erfüllt, welches er durch das Bellen stillen möchte. Bellen ist manchmal störend, vor allem wenn der Hund andere Hunde oder Menschen anbellt, deshalb erfährst du gleich, wie das ändern kannst.

Der andere Hund? Der muss weg.

Hast du manchmal das Gefühl, dass dein Hund aus dem Nichts heraus einfach voll drauf los bellt? Dann schau nochmal genauer hin oder filme diese Situationen. Du wirst erkennen, dass dein Hund vor dem Bellen noch viele andere Dinge tut. Er hört die Hundemarke klappern, er nimmt den Geruch mit seiner Nase auf, er schaut in die Richtung des anderen Hundes. All das ist Teil der Orientierung zum Auslöser. Stell dir diese Verhaltensweise wie eine Rampe vor. Es fängt klein an und wird immer stärker, bis dein Hund die Anspannung nicht mehr aushält und das Bellen aus ihm herausplatzt. Wenn du ihn erst am höchsten Punkt der Rampe ansprichst, wird es ihm sehr schwer fallen deinem Signal zu folgen. Setze stattdessen schon am Anfang der Rampe an, sobald er den Auslöser wahrnimmt und biete ihm ein Alternativverhalten an. Ein Stückchen weggehen und ein positiv aufgebautes Sitz, welches reichlich belohnt wird, kann Wunder wirken.

Hol dir unsere Unterstützung beim Training!

Stell dir vor, wie viel mehr du die Spaziergänge mit deinem Hund genießen kannst, wenn du dich auf deinen Hund verlassen kannst und ihr ein starkes Team seid. Du kannst noch heute mit dem Training beginnen und auch deinen Hund zu einem aufmerksamen Hund machen – mit unserem Onlinekurs „Mein aufmerksamer Hund“.

Wenn du besser verstehen willst, was das Verhalten deines Hundes beeinflusst und du eher erkennen willst, wann dein Hund anfängt zu bellen, dann findest du in diesem Artikel alles, was du dazu wissen musst: Was du wissen musst, um Verhalten bei deinem Hund zu verändern

Lesetipp: Warum es keine Leinenpöbler gibt

2. Situation: Belohnungen aus der Umwelt

Der Spaziergang ist für die meisten Hunde das Highlight des Tages. Es gibt so viel zu entdecken, zu erschnüffeln und ständig bewegt sich irgendwo etwas. Viele Verhaltensweisen, die dein Hund draußen zeigt, sind für ihn selbstbelohnend. Er erkundet seine Umwelt und hat einfach Spaß dabei. Wenn dann noch eine zusätzliche Belohnung hinzu kommt, ist das Glück für ihn perfekt!

Kaninchen, Wurststulle und Co.

Wenn dein Hund einem Kaninchen hinterher jagt, dann ist es gleichzeitig eine Belohnung aus der Umwelt, die auch selbstbelohnend ist, denn: Wittern, Lauern und Hetzen machen vielen Hunden Spaß, auch wenn sie das Wild niemals bekommen. (Kleine Erinnerung: Dein Hund darf gern Wildtiere wittern und belauern, den Rest bitte nicht!)

Auch die Wurststulle im Gebüsch ist ein absoluter Jackpot für deinen Hund und gleichzeitig die klare Information: Im Gebüsch suchen lohnt sich. Und du weißt sicher ganz genau, was dabei bisher nicht geholfen hat, oder?

Arbeite mit deinem Hund, nicht gegen ihn!

Sicherlich hast du schon versucht deinen Hund mit einem “Nein!” vom Jagen abzuhalten und versucht die Wurststulle schnell aus dem Fang zu ziehen. Außer einem Schrecken bei deinem Hund hat sich wahrscheinlich nicht viel getan. Also sie es mal so: Dein Hund ist ein super Jäger und Futtersammler. Dafür muss es aber nicht das Kaninchen oder die Wurststulle sein. Teile der Jagdsequenz lassen sich wunderbar mit einem Futterdummy oder einfach nur Futter nachstellen. Für die Futtersuche am Wegesrand kannst du ihm auch mit ein paar Keksen von dir ermöglichen. Sei kreativ bei der Auswahl der Belohnungen und behalte die Bedürfnisse deines Hundes dabei im Auge.

Lesetipp: Aus! – Schritt für Schritt zum zuverlässigen Ausspucken auf Signal

3. Situation: Belohnungen von dir

Deine Belohnungsmöglichkeiten für deinen Hund sind vielfältig. Das ist eine tolle Nachricht, oder? Naja, bei den vielzähligen Belohnungen kann es schon mal vorkommen, dass du unbewusst etwas belohnst, was du gar nicht belohnen wolltest. Ich weiß, Fehler zuzugeben ist nicht leicht, aber jetzt ist der Moment, um ehrlich zu sein! Was klappt noch nicht so gut im Alltag mit deinem Hund? Hast du vielleicht versehentlich ein “falsches” Verhalten verstärkt?

Beispielsituation: Betteln am Tisch

Sobald du den Kühlschrank aufmachst, wird dein Hund hellhörig und am Tisch werden reihum alle hypnotisiert in der Hoffnung, damit er etwas abbekommt. Vielleicht ist dein Hund einfach ein Naturtalent als Hypnotiseur. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass sein Betteln am Tisch von dir oder anderen Menschen verstärkt wurde. Auch wenn er nur einmal im Monat etwas am Tisch bekommt, wirkt dies als absolut hochwertige Belohnung und verstärkt damit das Verhalten deines Hundes. An dieser Stelle solltest du dich zunächst fragen, ob dich dieses Verhalten überhaupt stört. Denn richtig und falsch gibt es nicht, solange niemand zu Schaden kommt.

Lesetipp: Darf mein Hund am Tisch betteln?

Bitte NICHT einfach ignorieren

Wenn du deinen Hund ignorierst, ohne ihm eine Alternative zu zeigen, wird bei ihm mega Frust entstehen. Er könnte auf viele Ideen kommen:

  • Dich stärker anstupsen,
  • winseln,
  • seinen Kopf auf deinen Schoß legen,
  • auf den Tisch klettern (alles schon erlebt…),
  • dich anbellen,
  • mit den Pfoten auf dem Boden kratzen,
  • in dein Hosenbein reinbeißen,

Du wirst dieses Verhalten dann unterbrechen müssen, denn du wirst von deinem Hund genervt sein. Im schlimmsten Fall verstärkst du durch deine Aufmerksamkeit sogar das nervige Verhalten deines Hundes – zumindest wenn dein Hund auf deine Aufmerksamkeit aus ist. Ich finde es viel zu umständlich, wenn ich das störende Verhalten unterbrechen muss. Das sorgt für Frust auf beiden Seiten. Stattdessen zeige ich meinem Hund gleich, was ich von ihm will und belohne ihn dafür. Wenn dein Hund beim Essen am Tisch auf seinem Platz liegen soll, dann belohnst du ihn dort statt am Tisch. Und du trainierst mit ihm, dass er gern auf seinem Platz liegt und dort liegen bleiben kann. Kann dein Hund das noch nicht, dann verschaffst du deinem Hund und dir durch Management mit Hilfe eines Kindergitters ruhige Abendessen.

Lesetipp: 4 Gründe – warum jeder Hundehaushalt ein Kindergitter braucht

Werde zum Profi!

Positive Verstärkung ist eine wundervolle Trainingstechnik, die uns ein freundliches, bedürfnisorientiertes Training ermöglicht. Wenn du die Bedürfnisse deines Hundes kennst, kannst du sie gezielt im Training als Belohnung einsetzen. Aber vergiss nicht: Positive Verstärkung ist auch ein Lernvorgang im Gehirn deines Hundes, der immer (wirklich immer) abläuft, ob es dir grad in dein Training passt oder nicht.

Lesetipp: 6 Gründe, warum du positive Verstärkung im Training einsetzen musst

P.S. In unserem Kompakttraining begleiten wir dich und deinen Hund über drei Monate persönlich, damit du nach drei Monaten happy und entspannt mit deinem Hund unterwegs sein kannst und der Gedanke an Hundebegegnungen dich nicht mehr aus der Ruhe bringt. Hier findest du mehr Informationen zu unserem Kompakttraining!

 

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Über die Autor*in

Ulrike Seumel

Ulrike Seumel ist Trainerin für Menschen mit Hund, Coach, Autorin und Gründerin von Dog It Right.

Mit Dog It Right begleitet sie Menschen und ihre Hund auf dem Weg zu einem glücklichen und unbeschwerten Leben.

Ihr Team und sie trainieren Hundehalter*innen, damit diese wissen, wie sie mit ihrem Hund umgehen. Die Menschen sollen Probleme erkennen, verstehen und lösen können. Dabei trainieren sie immer mit den Bedürfnissen und Stärken von Mensch und Hund.

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